Finger, Hut und Teufelsbrut
Thema Verhütung definitiv stringenter durchgegriffen.
Ich weigere mich, intelligentes Leben zu essen. Also ist es für mich kein Problem, einen Politiker zu verspeisen. (Marty Feldman)
Der kleine indische Koch mit dem Schnauzbart und dem fröhlichen Funkeln in den Augen begrüßte die sieben tapferen Schwaben, die sich in der Küche des
Indian Forums
eingefunden hatten, um ayurvedisch kochen zu lernen.
»Ayurvedisch Kochen belebt und nährt Körper und Geist. Unsere Küche ist natürlich vegetarisch«, dozierte er, »und ihren Charakter, ihre Persönlichkeit, bekommt sie durch das richtige Würzen. Wir fangen daher mit einer kleinen Gewürzkunde an.«
Er führte die fünf Frauen und zwei Männer an einen Tisch, auf dem sich unzählige kleine Metallschalen mit bunten Inhalten befanden. »Das hier ist ›Pippali‹, langer Pfeffer, und das hier ist …«
Er wurde unterbrochen. Seifferheld hob die Hand, wie damals in der Schule, und sagte: »Ich müsste mal.«
Alle starrten ihn an.
»Nötig«, setzte er noch eins drauf.
»Hier vor und dann links. Wir warten so lange.« Der kleine, braune Koch, der in seinem persilweißen Kochkittel und der turmhohen, weißen Kochmütze nachgerade entzückend aussah, deutete ihm den Weg.
»Aber nein, bitte nicht, nur keine Umstände.« Seifferheld winkte ab. »Ich beeile mich. Und hole das Versäumte nach.«
Der Koch war nicht überzeugt, willigte aber ein, denn er kannte die Deutschen mittlerweile, und unter den übrigen Teilnehmern waren bestimmt welche, die den Ausfall kostbarer Unterrichtsminuten später geltend machen und auf anteilige Rückzahlung der Kochkursgebühr drängen würden. Also setzte er seine Ausführungen fort. »Dieses Gewürz hier nennen wir ›Hingu‹, sehr scharf und bitter … nein, der Herr, nicht kosten, nicht …«
Während sich der graumelierte Cordanzugträger – neben Seifferheld der einzige Mann im Kurs – abrupt die Hand an den Mund presste und Schmerzenslaute von sich gab, hinkte Seifferheld in Richtung Herrentoilette.
Und tatsächlich, als er um die letzte Ecke bog, sah er einen mittelgroßen, goldenen Buddha auf einer Anrichte thronen …
Schönheit liegt im Auge des Betrachters – und im Dunkeln sind wir alle schön.
Susanne Seifferheld fühlte sich hässlich.
Dauerlaufend trabte sie von Tullau in Richtung Innenstadt, den Sportbuggy mit der zufrieden glucksenden Ola-Sanne vor sich herschiebend.
Kalorien verbrennen, so lautete Susannes Devise. Kalorien, diese vermaledeiten Kleinstlebewesen, die einem nachts die Kleider enger nähten!
Ihr Körper wollte nach der Geburt einfach nicht abnehmen, im Gegenteil. Selbst ihre Schwangerschaftssachen wurden ihr zu eng. Na ja, das war vielleicht übertrieben, aber dennoch … Sie fühlte sich abgrundtief hässlich, wie eine Figur in einer Massenszene von Hieronymus Bosch. Wenn sie etwas
nicht
mehr war, dann begehrenswert. Und das nagte an ihr. Sehr sogar.
So sehr, dass sie sich schon seit Tagen immer wieder in ihr Elternhaus schlich, um mit Ola-Sanne heimlich, still und leise in ihrem alten Kinderzimmer im Zwischengeschoss zu sitzen, das als Speicher und Bühne diente, seit das Dachgeschoss ausgebaut worden war. Ein dunkles Refugium der Ruhe und Kontemplation. Wo sie nachdenken konnte. Darüber, wie sie ihr altes Selbstbewusstsein wiedererlangen konnte. Wenn es denn überhaupt ginge.
Sie wollte schön sein. Für Olaf.
Und ja, auch schön für ihre Kollegen von der Bausparkasse, denen sie nächste Woche wieder gegenübertreten musste. Da lief nämlich ihr Mutterschaftsurlaub aus. Bis nächste Woche musste sie einfach zehn Kilo abnehmen!
Mindestens.
Egal wie.
Und sei es durch eine Gehirnamputation.
Aber erst mal durch Joggen auf Teufel komm raus …
Reizblasenblues
»Für den ›Vata‹-Konstitutionstyp empfehlen sich daher Anis, Fenchel, Kreuzkümmel oder Bohnenkraut, die ihn erden und wärmen und Blähungen lindern. ›Pitta‹-Typen dagegen …«
Seifferheld hob die Hand.
»Nicht schon wieder, Herr Seifferheld!«, rief der kleine indische Koch besorgt. »Das ist schon das dritte Mal in der letzten halben Stunde. Sie essen ganz sicher zu viel Kardamom, Ingwer und Senfkörner, ja? Das fördert das Verdauungsfeuer und ist für Ihre Konstitution ganz falsch.«
Seifferheld hatte den goldenen Buddha vor der Herrentoilette gründlich inspiziert (innen hohl, aber leer). Ihm war nach dem zweiten Klogang schmerzlich bewusstgeworden, dass das
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um einiges
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