Finger, Hut und Teufelsbrut
Kulturattachés noch schnell eine vierseitige Sonderbeilage zu erstellen. Also, nicht er, sondern natürlich MaC, und so musste sie bis in die Puppen über Mohandra Johar schreiben, den jungen Karrierediplomaten und Vorzeige-Inder aus allerbestem Stall (will heißen aus bester Kaste), der im Westen ebenso zu Hause war wie im Osten und in allen Welten eine extrem gute Figur machte. Den Beweis für Letzteres lieferten die zahlreichen Fotos, die MaC von ihm im Netz gefunden hatte.
Im Gegensatz zu den anderen schmeckte es dafür Bauer zwo. Der war vorbeigekommen, um sich seinen Marschbefehl für das »Kommando Kulturattaché« zu holen, wie er es nannte. Eigentlich hatte er nur fragen wollen, ob sie sich am Flughafen treffen sollten oder hier bei Seifferheld, aber dann hatte er Rani erblickt und hatte sich selbst zum Essen eingeladen.
»Sehr lecker«, sagte er jetzt und er sagte es kauend und mit vollem Mund.
Es nahm Seifferheld sehr für Rani Chopra ein, dass sie Bauer zwos mangelnde Tischmanieren freundlich ignorierte. Ja mehr noch, sie begann aus reiner Höflichkeit, ebenfalls mit vollem Mund zu sprechen. Wie Queen Mum – sie ruhe in Frieden –, die bei einem Festbankett ihre Fingerschale ausgetrunken hatte, weil einer ihrer ausländischen Gäste eben jenen Fauxpas begangen und die Fingerschale für ein Erfrischungsgetränk gehalten hatte, und sie verhindern wollte, dass man den anders sozialisierten Gast verächtlich belächelte: »Ich danke Ihnen sehr. Es freut mich, dass es Ihnen schmeckt.«
Bauer zwo wurde rot.
Seifferheld wusste nicht, wie Bauer zwo es mit Frauen hielt, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, welche Frau, die auch nur einen Hauch von Selbstachtung besaß, auf Bauer zwo abfahren konnte. Lila-Ledermontur-Fetischistinnen? Minipli-Frisösen?
Rani Chopra wahrte jedenfalls freundliche Distanz. Sie sagte nicht viel und wenn sie etwas sagte, klang es nach Versatzstücken aus einem der Deutschlehrbücher des Goethe-Instituts.
»Wir beschützen den Kulturattaché und retten Ihren Vater«, versprach Bauer zwo, jetzt mit leerem Mund, weil das Gemüse alle war, aber mit einer Stimme, die der des
Terminators
ähnelte, wenn er versprach: »I’ll be back.«
Rani lächelte und senkte den Blick. »Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«
»Kein Problem. Jungen Frauen in Not zu helfen ist doch meine leichteste Übung.« Bauer zwo strahlte. »Oder wie man in Ihrem Land sagt: ›Hakuna Matata‹!«
Erdkunde.
Nicht die einzige großflächige Wissenslücke in Bauer zwos Gehirn …
Mitternacht
hakuna matata!
(Kisuaheli für »null problemo«) [1]
Im Dschungel kreischten die Affen. Von fern brüllte ein Löwe. Eingeborene trommelten. Kurzum: alles wie immer hier in Äquatornähe. Neben ihm sagte eine erhitzte Frau mit glühenden Wangen: »Ganz ruhig liegen, ich mach das schon. Es tut auch gar nicht weh.«
Helmerich Hölderlein hatte sich von Schwester Marys kleinem Bruder ins nächste Buschkrankenhaus bringen lassen.
Dr. Oima, eine kugelrunde Frau mit rappelkurzen Afrohaaren, spritzte ihm ein Mittel, das zumindest vorübergehend für Entspannung sorgen würde. Und natürlich tat es doch weh. Aber Hölderlein war mittlerweile alles egal. Er wollte nur noch sterben. Die Gase nahmen kein Ende, er hatte schon Muskelkater vor lauter Blähungen. Und er mochte sich selbst nicht mehr riechen.
»Sie sind ein sehr angespannter Mann«, diagnostizierte Dr. Oima und schüttelte den Kopf. »Sie müssen lockerer werden.«
»Das sagt sich so einfach. Ich bin von Natur aus sensibel, in jeder Hinsicht.« Hölderlein seufzte. »Ich fürchte, mit dieser Reise habe ich mir doch zu viel zugemutet.«
Dr. Oima nickte. Nicht nur sich hatte der Pfarrer zu viel zugemutet. Der junge Mann, der ihn gebracht hatte, bestand für die Rückfahrt auf einer Gasmaske.
»Morgen sieht alles gleich ganz anders aus«, versprach sie. »Und heute Nacht feiern Sie mit uns.«
Helmerich stöhnte. Ihm war nicht nach Feiern zumute.
Das Buschkrankenhaus – ein langgestreckter, weißgetünchter, einstöckiger Flachbau – diente als medizinische Versorgungsstelle für die ganze Region. Mit Spenden aus dem Ausland hatte vor kurzem eine neue Station angebaut werden können, in der nun unterernährte Kinder versorgt und ihre Mütter in Ernährungsfragen weitergebildet wurden. Die Station war heute eröffnet worden. Schon seit Stunden wurde deshalb gelacht, gesungen, getanzt, gegessen, gefeiert.
»Danke, aber ich
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