Finger, Hut und Teufelsbrut
MaC hatte erwartet, dass er ihr Flugplanänderungen, Einsatzkräfteaufstellungen, Sicherheitsdetails und dergleichen mehr anvertrauen würde. Aber das hier lief in die falsche Richtung. Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, wie unbefriedigend war das denn?
Seifferheld zögerte. »Hast du versucht, etwas über sie herauszufinden? Über ihre Herkunft? Was sie hier in Deutschland macht?«
»Du verdächtigst Rani, dass sie etwas mit der Entführung zu tun hat?« MaC pustete sich eine Locke aus dem Gesicht.
»Nein, das tue ich nicht, ich deute allerhöchstens an, dass es womöglich gar keine Entführung geben wird und sie sich das alles nur einbildet«, sagte Seifferheld, leise, damit die Inderin ihn nicht hörte. Aus Angst vor möglichen Übergriffen schlief sie immer noch im Gästezimmer. Bei offener Tür und mit Onis als persönlichem Bodyguard auf dem Flokati vor ihrem Bett.
Am anderen Ende der Leitung hörte Seifferheld ein sehr typisches, ihm wohlbekanntes Klopfgeräusch. Wenn MaC wütend wurde, brauchten ihre Fingerknöchel immer eine Unterlage, auf der sie Knöchelplattler tanzen konnten.
»Ich höre ja wohl nicht recht! Rani Chopra ist eine emotional aufgewühlte Frau in großer seelischer Not. Vertraust du meiner Menschenkenntnis etwa nicht mehr?«
Seifferheld hatte Mariannes Menschenkenntnis noch nie vertraut. Bauchgefühle wurden seiner Meinung nach sträflich überschätzt und die Bauchgefühle von Frauen sowieso.
»Natürlich vertraue ich deiner Menschenkenntnis«, log Seifferheld, der zwar ein ehrlicher, wahrheitsliebender Mann war, aber wenn er in diesem Leben noch einmal seinen Frieden mit MaC haben und ihre nach Chanel duftende Halskuhle schnuppern wollte, musste er jetzt schleunigst nachgeben. »Ich dachte nur, dass man aus ihrer Lebensgeschichte möglicherweise eine Verbindung zu den Verbrechern herstellen könnte«, improvisierte er in Lichtgeschwindigkeit. »Rani hat doch erzählt, dass ihr Vater in der Botschaft arbeitet und ein belastendes Gesprächsprotokoll auf einem USB -Stick speichern konnte, bevor er kurz darauf spurlos verschwand. Aber wie konnte er bei dem Gespräch zugegen sein? Sind ihm die Entführer persönlich bekannt, vielleicht sogar mit ihm verwandt? Dafür spricht doch, dass er untertauchen musste. Oder selbst das erste Opfer der Entführung wurde.«
Puh, gerade noch mal gutgegangen.
MaC schwieg. Ein gutes Zeichen. Sie konnte sich seiner Argumentationskette offensichtlich nicht entziehen. Gut so.
»Bevor wir morgen Mittag zum Flughafen fahren und uns der Lächerlichkeit preisgeben oder sogar für einen internationalen Zwischenfall sorgen, solltest du deine zauberhafte Journalistinnenspürnase in Ranis Vergangenheit stecken«, bat Seifferheld noch leiser, weil er ein Knacken auf der Holztreppe gehört zu haben meinte.
MaC atmete tief aus. Sie ärgerte sich, dass sie den heutigen Tag – auf Anweisung ihres Chefredakteurs – mit albernen Artikeln für die Sonderbeilage verplempert hatte. Stunden hatte sie damit zugebracht, über die indische Lebensart zu schreiben und Interviews mit Haller Bürgern zu führen, die schon einmal in Indien waren (und deren gab es verdammt viele, die Haller waren seit alters reisefreudig, was man auch in der Rathausbibliothek nachlesen konnte). »Du hast recht. Ich stelle mir den Wecker auf Morgengrauenalarm und versuche herauszufinden, was es über Rani herauszufinden gibt.«
»Danke. Du bist wunderbar«, säuselte Seifferheld und legte sich in Position. »Und? Trägst du wirklich gerade deinen Pyjama? Oder vielleicht doch eher nichts …«, erkundigte er sich anzüglich.
»Siggi, ich muss jetzt schlafen!«, sagte MaC und legte auf.
Na schön, dann eben kalt duschen. Seifferheld hätte nie gedacht, dass er das in seinem hohen Alter noch mal nötig haben würde.
Er grinste.
Ich gehe zu Bett, mache das Licht aus, denke »Die können mich doch alle mal kreuzweise« und schlafe ein. (Winston Churchill)
Fakten schaffen, dachte Bocuse. Diese ganzen Regularien, der Behördenkram, diese bürokratischen Schwachsinnigkeiten, das durfte man nicht so ernst nehmen. Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt, pah. Führungszeugnis vom Einwohnermeldeamt, noch mal pah. Teilnahme an einem Kurs in Infektionsschutz beim Gesundheitsamt, pah, pah, pah. Das ließ sich alles irgendwie arrangieren.
Übermorgen würde er sein Bistro eröffnen und damit basta! Okay, er würde es unter dem Namen von Klaus eröffnen müssen, damit ihm die
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