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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Schussverletzung versetzt hatte, gesehen hatte. Gleich nach dem des Chefarzts, seiner Tochter, seiner Schwester, seiner Chefin, der Oberschwester, des Assistenzarzts, seines Bruders, seiner Schwägerin und … hm … jedenfalls stand Wurster ihm nahe.
    »Wenn wir irgendetwas für dich tun können, jederzeit!« Seifferheld blickte ihn besorgt an.
    Wurster kam langsam in das Alter, wo alles möglich war, allerdings im negativen Sinne: Altersdiabetes? Hämorrhoiden-Thrombose? Prostatakrebs? Früh einsetzende Alzheimer-Demenz?
    Wurster leckte sich über die trockenen Lippen. Er rutschte von der Haalmauer und straffte die Schultern. »Ich lasse mir die Ohren anlegen.«
    Bauer zwo kicherte.
    »Sei du bloß ruhig, wir wissen doch alle, dass du dir die Lippen hast aufspritzen lassen!«, fauchte Wurster. »Es ist nie zu spät, um das Beste aus sich herauszuholen!«, erklärte er und stapfte wütend davon.
    Seifferheld sah ihm nach.
    Bauer zwo hörte auf zu kichern und schlug Seifferheld kräftig auf die Schulter. Da er seine Reibekuchen mit der Hand gegessen hatte und die Hand seitdem nicht in Berührung mit einer Serviette gekommen war, zierte daraufhin ein fettiger Handabdruck den Rücken von Seifferhelds gutem Sommerhemd. Typisch für den Minipli-Mann im Lederdress.
    »Keine Sorge, Siggi. Ich bin dabei!«, gelobte Bauer zwo. »Morgen retten wir zwei beide den indischen Kulturattaché!«
    Seifferheld zwang sich zu einem dankbaren Lächeln.
    Zeit ist relativ.
    Wann immer man das Gefühl hat, die Welt drehe sich zu rasch und die Zeit vergehe wie im Flug und überhaupt werde alles immer schneller und schneller, muss man sich nur in das Wartezimmer eines Arztes begeben. Wartezimmerwarten heißt, den Begriff der Endlosigkeit wahrhaft begreifen lernen.
    Dr. Wong, der eigentlich nur schnell das richtige Laborergebnis zur Akte Seifferheld/Nneka hatte holen wollen, kam nicht wieder. Dafür kam seine Sprechstundenhilfe, eine echte Diakonisse, die Karina und Fela ins Wartezimmer geleitete und um etwas Geduld bat.
    »Ein unvorhergesehenes Ereignis, es kann aber nicht sehr lange dauern«, meinte sie.
    Fela und Karina dachten spontan an eine Problemgeburt oder einen Herzstillstand oder etwas in der Art und gelobten sich innerlich, geduldig zu warten.
    »Der Kaffeeautomat ist im Flur. Da kann man sich auch heiße Schokolade und Bouillon ziehen«, fügte die Schwester, mit Blick auf die stillende Karina, noch hinzu.
    Das Wartezimmer war leer. Will heißen, es waren keine anderen Menschen zugegen. Nur orangefarbene Plastikstühle, ein weißer Beistelltisch mit zerfledderten Magazinen aus dem vorigen Jahrhundert und in der Ecke eine Kiste mit Kinderspielzeug. Die Aussicht aus dem vorhanglosen Fenster war nicht berauschend, obwohl dieses Stockwerk des Diakoniekrankenhauses einen wunderschönen Blick auf das Kochertal freigab, nur leider nicht von dieser Seite des Gebäudes aus. Karina und Fela blickten also nur auf einen relativ kahlen Baumwipfel. Fela junior blickte nirgendwohin, er war selig weggeschlummert.
    Wenn eine Frau mit einem Neugeborenen im selben Zimmer sitzt wie der Mann, in dem sie den Vater ihres Kindes sieht, er selbst aber nicht, so ist das nicht die beste Ausgangslage für heiteren Smalltalk. Schwester Franziska, altgedient und problemerfahren, hatte aus diesem Grund auch die Tür zum Wartezimmer offen gelassen, und ihre Hand lag direkt neben dem Knopf, mit dem sie umgehend den Sicherheitsdienst alarmieren konnte.
    Aber aus dem Wartezimmer drang anfangs nur Schweigen.
    Eisiges Schweigen.
    »Wenn du wirklich glaubst, dass ich dich betrogen habe und dann auch noch versuche, dir das Kind eines anderen unterzuschieben, dann hast du mich nie richtig gekannt. Und schon gar nicht geliebt«, sagte Karina schließlich. Sie blickte stur geradeaus.
    Fela erwiderte nichts.
    »Ich habe mich immer von dir verstanden gefühlt, aber das war dann wohl ein Irrtum.« Karina schniefte.
    Fela schwieg.
    »Weißt du, es ist nicht leicht für mich. Ich könnte deine Unterstützung wirklich brauchen. Ein Baby zu haben, das ist, als hätte man urplötzlich den schlimmsten WG -Mitbewohner der Welt, eine Art Janis Joplin, die entweder atonal singt oder wahlweise mit bösem Kater und PMS herumläuft. Was bei einem Baby vorn rauskommt, ist laut, und was hinten rauskommt, stinkt.« Karina jammerte sich in Rage.
    Fela sagte nichts, riskierte aber einen Blick auf Fela junior, der in diesem Moment friedlich schlummerte und höchst entzückend nach

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