Finger, Hut und Teufelsbrut
glaube, ich brauche meine Ruhe.« Hölderlein seufzte schwach.
»Nein, brauchen Sie nicht. Dann grübeln Sie nur, und Grübeln ist des Teufels. Sie kommen jetzt mit mir.« Dr. Oima hatte in Heidelberg Medizin studiert und sprach sehr gut Deutsch. Und sie sprach noch eine andere Sprache, die Helmerich Hölderlein wohlbekannt war: die Sprache strenger Weiblichkeit. »Auf jetzt! Wir gehen uns amüsieren!«
Helmerich Hölderleins Adamsapfel hüpfte. Versonnen sah er Dr. Oimas ausladendem, sehr weiblichem verlängertem Rücken hinterher. Aber er war ja jetzt verheiratet, wie ihm plötzlich siedend heiß einfiel. In letzter Zeit hatte er nur an seinen Verdauungstrakt und nicht an Irmi gedacht. Galt es schon als Ehebruch, wenn man in fernen Ländern mit fremden Frauen feierte? Hier im Buschkrankenhaus waren fast ausschließlich Frauen tätig. Die Bibel sprach zwar nur davon, dass man Fremdfrauen nicht begehren sollte, aber Pfarrer Hölderlein wollte lieber immer auf Nummer sicher gehen. »Ich kann nicht«, sagte er deshalb.
»Klar können Sie.« Widerspruch war zwecklos. Als er keine Anstalten machte, Dr. Oima zu folgen, kam sie zurück, packte ihn am Arm und führte ihn nach draußen, wo ein riesiges Lagerfeuer brannte.
Es war schon mitten in der Nacht, einige Partygäste aßen im Freien, andere machten auf fremdartigen Instrumenten Musik und sangen und klatschten rhythmisch dazu. Keiner der Krankenhauspatienten schien sich zu beschweren, höchstens die Vögel, die in einem angrenzenden Baum schlafen wollten und laut zwitschernd protestierten. Oder auch mitsangen, das war nicht genau zu deuten.
»Hier, rasseln Sie«, sagte Dr. Oima und drückte Pfarrer Hölderlein eine Kayamba in die Hand.
»Ich verstehe nichts von Musik«, räumte Helmerich Hölderlein ein. Das war nicht gelogen. Als sich sein Organist einmal einen Spaß erlaubt und am Ende des Gottesdienstes statt einer Bach-Kantate
Smoke on the Water
von Deep Purple georgelt hatte, hatte Hölderlein nichts bemerkt. Erst als sich seine Gemeindeschäfchen rhythmisch auf den Kirchenbänken gewiegt und manche von ihnen brennende Feuerzeuge oder leuchtende Handydisplays geschwenkt hatten, wuchs in ihm der Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmen konnte.
»Völlig egal«, sagte Dr. Oima, »lassen Sie sich einfach fallen.«
Und das tat Hölderlein.
Er setzte sich ins Gras zu den anderen. Anfangs rasselte er noch verhalten in einem diffusen Paralleltakt. Doch nach und nach näherte er sich immer mehr der tatsächlich gespielten Musik an. Sein Rasseln wurde immer leidenschaftlicher. Er rasselte und rasselte. Jemand reichte ihm ein Glas Wasser, und er leerte es auf ex. Und rasselte. Und rasselte noch mehr. Und rasselte, bis der Morgen graute. Dann erst fiel ihm die Rassel aus der Hand, und er sackte nach hinten und schlief sofort ein. So wie er war, auf afrikanischem Boden, ohne Angst vor Käfern, die ihm ins Ohr krabbeln könnten. Und seit Stunden ohne einen einzigen Furz.
Die Sonne Afrikas ging über einem völlig neuen Helmerich Hölderlein auf.
In sechstausend Kilometern Entfernung stöhnte Irmgard Seifferheld-Hölderlein ahnungsvoll im Schlaf …
Voll enthemmt auf Kukident
»Was hast du gerade an?«, gurrte Seifferheld in den Hörer.
Er meinte zu hören, wie MaC sich in ihrem Bett räkelte.
»Nichts außer
Chanel No. 5
«, gurrte sie zurück.
Seifferheld seufzte wohlig auf. Er sah sie förmlich vor sich, im Evakostüm, französisch duftend. Völlig ohne Zuhilfenahme von chemischen Mitteln wurden Teile seines Körpers daraufhin lebendig.
»Sei doch kein Idiot, du weißt, wie kalt es mir im Bett immer ist!«, unterbrach MaC seine unzüchtigen Gedanken. »Ich trage Wollsocken und einen Flanellpyjama. Und jetzt erzähle, was du heute herausgefunden hast!«
Es war ein bisschen gemein, Siggi dermaßen anzulügen. Sie hatte geschwindelt, sie trug wirklich absolut gar nichts. Die Nacht war einfach zu heiß und zu schwül. Aber für Telefonsex war sie zu kaputt und nicht in der richtigen Stimmung.
»Siggi?«, fragte sie kurz darauf, weil keine Antwort kam.
»Ja doch, ich muss erst kurz abkühlen.«
MaC kicherte. »So heiß, wie es gerade ist, kann das Stunden dauern.« Sie wackelte mit den Zehen. »Jetzt erzähl schon, was hast du heute herausfinden können? Haben dir deine Stammtischkumpel ein paar brauchbare Informationen geliefert?«
Seifferheld holte tief Luft. »Liebes, hast du Rani Chopra eigentlich jemals unter die Lupe genommen?«
»Wie bitte?«
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