Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
Vom Netzwerk:
Karina.
War mit dem Hund Gassi. Hab ihn auch gefüttert. Bin jetzt im Bett. Gute Nacht.
    Seine Nichte und vor Mitternacht im Bett – dazu hätte sie früher nur eine schwere Grippe mit vierzig Grad Fieber gebracht.
    »Was für ein Tag«, seufzte Seifferheld und ging vor Onis in die Hocke. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wegen seiner Hüfte. »Zwei Entführungen auf einen Schlag. Was ich jetzt brauche, ist ein guter Freund, mein Freund.« Er kraulte Onis hinter den Ohren, was dieser normalerweise besonders gernhatte. Noch mehr mochte er es, wenn man ihm das Ohrenschmalz entfernte, aber dazu war Seifferheld gerade nicht in der Stimmung.
    Es wäre ohnehin verlorene Liebesmüh gewesen.
    Onis öffnete erst ein Auge, dann das andere, hob schließlich beide Augenbrauen, als wollte er sagen: »Was willst du, Alter? Ich bin mitten in meiner REM -Phase.« Daraufhin gähnte er herzhaft und riss dabei das Maul so weit auf, dass Seifferheld meinte, bis zu seinen Hundemandeln hinuntersehen zu können. Dann schloss er Maul und Augen und schlief sofort wieder ein, erkenntlich am regelmäßigen Atmen und leisen Schnarchen.
    Normalerweise war Onis im besten
Die drei von der Tankstelle
-Sinne »ein Freund, ein guter Freund«, aber jetzt gerade war er hundemüde, und sein Schönheitsschlaf ging ihm über alles, auch über die Freundschaft.
    Mühsam richtete Seifferheld sich wieder auf.
    Nur um gleich darauf völlig entsetzt zusammenzufahren.
    Er hatte sie nicht kommen hören.
    Irmgard, seine Schwester.
    »Gott, hast du mich erschreckt!« Er klang vorwurfsvoll.
    Seifferheld erwartete eine schnippische Erwiderung, wie es Irmgards Art war, aber seine Schwester durchquerte lautlos die Küche und setzte sich an den deckenlosen Küchentisch. »Er ruft nicht an, er schreibt keine Mail … nichts!«
    Sie sprach so leise, dass Seifferheld sein gutes Ohr in ihre Richtung drehen musste. Für sein Alter hörte er zwar auf beiden Ohren noch recht gut, aber in letzter Zeit war ihm doch so, als würde das linke einen Tick besser funktionieren. »Was hast du gesagt?«
    »Helmerich. Ich habe seit seiner Abreise nichts von ihm gehört.« Irmgard neigte nicht zu Gefühlsausbrüchen. Sie saß einfach nur stocksteif da, den Kopf leicht gesenkt. Große seelische Erregung merkte man ihr nur daran an, dass sie leiser wurde. Bei sehr großer seelischer Erregung buk sie Marzipantorte.
    »Wenn etwas passiert wäre, hätte sich die Missionsstation mit dir in Verbindung gesetzt«, meinte Seifferheld relativ gleichmütig und schmierte sich nebenher eine Butterbrezel. »Er wird einfach viel um die Ohren haben. Afrika missioniert man ja nicht einfach mal eben so aus dem Handgelenk.«
    In Hall geschahen finstere Dinge, die die hohe Weltpolitik berührten, aber seine Schwester flippte aus, weil ihr Mann sich nicht stündlich bei ihr meldete. Weiber! »Lass ihm seinen Freiraum.« Er biss kräftig in die Brezel und fügte mit vollem Mund hinzu: »Was ist das überhaupt für ein Hut auf deinem Kopf?«
    »Das ist kein Hut, das ist eine Baskenmütze!«
    Seifferheld kaute. Onis schnarchte. Die Glocken von St. Michael schlugen halb eins.
    »Wozu trägst du nachts einen Hut? Noch dazu im Haus?«
    »Eine Baskenmütze, das ist eine Baskenmütze. Und ich trage sie ein, um sie zu weiten.« Irmgard atmete schwer aus. »Ich habe heute Mittag ein paar nette Frauen kennengelernt, die regelmäßig auf dem Platz zwischen dem Kocherquartier und dem Kocher Boule spielen. Sie nennen sich ›die Bouletten‹. Ich habe mich ihnen spontan angeschlossen. Als Strohwitwe braucht man eine Beschäftigung.«
    Seifferheld sagte nichts. In ihm dachte es kichernd: »Bouletten?«
    »Ich verstehe nicht, warum Helmerich nichts von sich hören lässt!«, rief Irmgard anklagend.
    »O bitte, Irmi, jetzt reiß dich doch mal zusammen. Ihr seid Mann und Frau, keine an der Hüfte zusammengewachsenen siamesischen Zwillinge, die ein grausames Schicksal abrupt auseinandergerissen hat.«
    Irmgard hatte den Kopf immer noch leicht gesenkt, aber ihr Blick wanderte nach oben. Ihre Stimme wurde auf einmal wieder fest. Kein gutes Zeichen. »Ach ja, Mister Neunmalklug? Und was ist mit dir?«, zischelte sie. »Willst du wirklich um diese Uhrzeit noch etwas essen? Deine Hosen fangen allmählich an zu spannen.«
    Seifferheld ließ den Rest der Brezel sinken, den er gerade hatte zum Mund führen wollen. »Wie bitte?«
    »Ich sehe doch an unserem Kühlschrank und an der Vorratskammer, dass dein Appetit merklich zugenommen

Weitere Kostenlose Bücher