Finger, Hut und Teufelsbrut
Stimme,
die – ebenso wie MaC – ganz in den samtbraunen Augen des Kulturattachés versunken war und in ihrer Versunkenheit nicht gestört werden wollte.
Seifferheld kaute leiser. Irgendwann wurde zum Aufbruch geblasen.
MaC und Seifferheld nahmen neben der Tür Aufstellung, und dieses Mal ließen sie sich von nichts und niemand abhalten.
»Herr Kulturattaché!«, rief Seifferheld rasch, als der Inder an ihm vorbeiging, bevor die von ihm heißgeliebte, aber momentan leider verschwitzte, verklebte und teeniehaft-schmachtend schauende Marianne etwas Unbedachtes sagen konnte. »Auf ein Wort, bitte.«
Der Kulturattaché wandte sich ihm freundlich zu, ging dabei aber langsamen Schrittes weiter. Ein alter Trick von Prominenten, die ständig angequatscht wurden: immer in Bewegung bleiben.
Seifferheld hinkte folglich hinterher. »Herr Kulturattaché, wir wurden von einer Frau Chopra darauf aufmerksam gemacht, dass Sie hier in Schwäbisch Hall entführt werden sollen. Frau Chopra wurde heute Morgen vor unseren Augen gekidnappt. Die Lage ist äußerst ernst!«
Sie stiegen die breite Steintreppe hinunter.
»Ich danke Ihnen sehr für Ihre Besorgnis, aber ich weiß mich bezüglich aller Sicherheitsfragen in guten Händen«, erwiderte der Inder freundlich, aber unverbindlich.
»Die Polizei nimmt die Bedrohung für Sie nicht ernst genug!«, rief MaC besorgt hinter Seifferhelds Rücken.
Sie erntete dafür einen tiefen Blick aus dunklen Samtaugen. MaC wurde rot.
»Ihre Besorgnis rührt mich, und ich danke Ihnen sehr. Es besteht aber wirklich kein Anlass zur Sorge, da bin ich sicher.« Mohandra Johar lächelte sie an.
Hätte man MaC in diesem Moment nach ihrem Namen gefragt, sie hätte ihn nicht gewusst. Der Kulturattaché betörte ihre Sinne, vor allem den Geruchssinn, denn er duftete einfach umwerfend gut.
Grey Flannel
von Geoffrey Beene. Die Kollegin von der
Heilbronner Stimme
versuchte, MaC zur Seite zu schubsen, um näher an den Inder heranzukommen und ihn ebenfalls tief in sich einzuatmen, aber da kannte sie MaC schlecht.
Seifferheld spürte so etwas wie Eifersucht in sich aufsteigen, während er die beiden sonst so vernünftigen Frauen beim Ellbogengerangel um den schmucken Inder beobachtete.
Wieso machte seine Marianne einem Exoten schöne Augen, der gut und gern ihr Sohn sein könnte? Nun ja, er hätte sie zur minderjährigen Mutter gemacht, aber trotzdem. Das schickte sich nicht.
»Wir wollten nur sicherstellen, dass Sie sich der Gefahr bewusst sind«, erklärte Seifferheld merklich kühler. So kühl, als sei es ihm auf einmal egal, ob es morgen, wenn die Sonne aufging, statt einer Milliarde Inder nur noch 999 999 999 gab …
Im Erdgeschoss angekommen, wurden Seifferheld und MaC abgedrängt. Man erwartete den Kulturattaché im
Indian Forum,
wo man ein leichtes Mittagessen für ihn und seine Begleitung vorbereitet hatte.
Der gesamte Pulk wurde nach draußen auf den Marktplatz geschwemmt: ganz zuvorderst der Kulturattaché und der Oberbürgermeister, die an den Phaeton traten, dann die diversen Subalternen, dahinter die Presse und am Schluss Seifferheld und MaC.
Und alle, alle bekamen mit, wie die hintere Tür des Phaeton aufgerissen wurde, ein schwarzgekleideter Skimaskenmann den indischen Kulturattaché mit roher Gewalt auf den Rücksitz zerrte und der Wagen gleich darauf mit quietschenden Reifen davonraste, mitten durch einen Schwarm aufflatternder Tauben. Er bretterte an der St. Michaelskirche und dem
Hotel Adelshof
vorbei auf die Crailsheimer Straße, und dann war er weg. Was blieb, war der Geruch nach verbranntem Gummi.
Den Chauffeur des Phaeton fand man später ausgeknockt auf der Erdgeschoss-Herrentoilette des Rathauses.
»Jetzt haben sie es doch noch geschafft, und wir haben es nicht verhindern können, dabei standen wir direkt daneben!« Seifferheld ärgerte sich.
So ja nicht.
Nicht mit ihm.
Und schon gar nicht vor seiner Nase!
Eine Couch ist nur für eine einzige Sache gut. (John Wayne)
Man wurde nicht heiße Anwärterin auf einen Vorstandsposten bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall, indem man heiße Luft von sich gab. Wenn Susanne Seifferheld etwas zusagte, dann erledigte sie das auch. Und zwar pronto. Auch wenn sie der festen Überzeugung war, dass die Psychoanalyse in Wirklichkeit die Krankheit war, als deren Heilung sie sich ausgab.
Susanne holte tief Luft und drückte auf den Klingelknopf.
Nach wenigen Minuten ging die Tür auf, und ein Mann mittleren Alters und mittlerer Größe
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