Finger, Hut und Teufelsbrut
gähnende Leere. Nur ein Streifenwagen drehte auf dem Hauptweg seine Runde.
An einer Bank direkt am Kocher ließ Seifferheld sich nieder. Onis legte seinen rosa Teddy neben seinem Herrchen ab und begann, fröhlich herumzutollen. Seifferheld sah ihm nach.
Als damals, kurz nach dem verhängnisvollen Schuss in seine Hüfte, klarwurde, dass er nie wieder richtig würde laufen können, hatten seine Kollegen zusammengelegt und ihm einen Welpen geschenkt. Damit er jeden Tag einen Anreiz hatte, sich dennoch zu bewegen. Hatte sehr gut geklappt. Inzwischen konnte sich Seifferheld ein Leben ohne Onis nicht mehr vorstellen, auch wenn er es enorm peinlich fand, dass ein erwachsener Rüde im Genusszustand wie ein Kätzchen schnurrte und ständig mit einem rosa Teddy im Maul herumlief.
Siggi Seifferheld machte sich nichts vor, was die Intelligenz von Onis anbelangte: Wer einen Raum betreten konnte und nicht mehr wusste, warum er das getan hatte, wer sich mit nicht enden wollender Begeisterung seine Geschlechtsteile leckte und darüber hinaus auch noch vor seinen eigenen Fürzen erschrak, hatte die Schlauheit nicht mit Löffeln gefressen. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb war Onis sein bester Freund geworden. Aus diesem Grund ließ er Onis auch nicht kastrieren. Wer kastrierte schon seine Freunde? Leider hatte Onis eine sogenannte Knickrute und taugte nicht zur Zucht. Was ihn nicht davon abgehalten hatte, vor einiger Zeit eine Berner Sennenhündin zu bespringen und mit ihr einen Wurf entzückender Hovasenner (oder Sennwarts?) zu zeugen. Wie es den Kleinen wohl gehen mochte? Seifferheld hatte sie allesamt bei guten Familien auf dem Land unterbringen können. Die Leute hätten ja ruhig mal ein paar Fotos per E-Mail schicken können.
Onis sprang derweil in den Kocher und versuchte, Fische zu fangen. Das machte er mit großer Begeisterung, aber so unfähig, dass kein Fisch je ernsthaft in Gefahr war, egal wie alt, krank oder laichend. Ein Fischreiher, der aufgrund des niedrigen Wasserpegels mittig im Fluss stand, sah Onis nur mitleidsvoll an.
Seifferheld legte den Kopf in den Nacken und ließ sich von der schon warmen Morgensonne bräunen.
Diese ganze Entführungskiste war eine Nummer zu groß für ihn und MaC, das musste er zugeben. Sie sollten sich das eingestehen und die Ermittlungen den Vollprofis überlassen. Wo hätten sie auch anfangen sollen?
Seifferheld atmete tief durch. Eine sanfte Morgenbrise strich ihm über die Wangen. Amseln zwitscherten. Der Fluss plätscherte. Die Blätter rauschten …
Keine zwei Minuten später war Seifferheld eingeschlafen.
Schläfst du noch oder ermittelst du schon?
»Aua!«
Seifferheld wurde unsanft von einem Ellbogen geweckt, der sich in seine rechte Flanke bohrte.
Es war ein spitzer, verschwitzter Ellbogen, und er gehörte seiner Tochter Susanne.
»Was liegst du denn hier herum und pennst?«, fragte sie.
Seifferheld brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen. Dann schreckte er hoch: O Gott, die Radiosendung! Hatte er verschlafen? An seinem ersten Tag? Fast hätte er hyperventiliert, da fiel sein Blick auf seine alte, noch von Hand aufzuziehende Armbanduhr: Er hatte keine zehn Minuten geschlafen. Die Sonne war nur wenige Zentimeter weitergewandert. Onis planschte immer noch im Kocher, besser gesagt, er hatte in High-Noon-Position gegenüber einem Erpel Stellung bezogen, und gleich würden sich die beiden aufeinanderstürzen. Seifferheld wusste, wie das ausgehen würde, auch wenn der Erpel nicht einmal ein Zehntel des Gewichts von Onis auf die Waage brachte.
»Hund! Hierher!«, rief er.
Onis bellte den Erpel noch einmal an und trabte dann fröhlich wasserspritzend ans Ufer. Gut, wenn man von seinem Herrchen vor einem sicheren Gesichtsverlust gerettet wurde …
Susanne zog etwas Flaches, Rechteckiges aus dem Gepäckbeutel ihres Sportbuggys.
»Ich bin postnatal depressiv«, sagte sie. Es klang glücklich. »Dr. Honeff hat mir das bestätigt.«
»Honeff? HONEFF ?« Seifferheld richtete sich auf.
»Ja, der Hundeflüsterer. Was ich brauche, ist Chemie. Ich habe über Nacht schon mal recherchiert, damit ich unserem Hausarzt sagen kann, was ich einwerfen muss, damit es mir wieder bessergeht.«
Seifferheld glaubte ihr das sofort. Da kannte Susanne nichts. Was waren lange Jahre des Medizinstudiums schon gegen eine Stunde Recherche am iPad 2 ? Eben. Eine ganz typische Einstellung für die Frauen in seiner Familie.
Onis stützte sich mittlerweile mit beiden Vorderpfoten am
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