Finger weg Herr Doktor!
öffnen wird. Er dürfte gerade seine Liste erledigen, drüben im Operationssaal. Warum unterbreiten Sie ihm nicht Ihre Idee?«
»Ich habe noch eine kleine Bitte. In meinem Hotel ist es wirklich ungemütlich. Nachts ist es dort so laut, weil jedermann bis in die frühen Morgenstunden Sexorgien veranstaltet.«
»Natürlich, Sie müssen unbedingt zu uns ziehen!«
»Ich bin gerührt, sehr gerührt -«
»Wir wollen aus ganzem Herzen alles tun, was in unserer Macht steht, um Ihnen Ihre letzten Tage zu verschönern.«
»Ich werde nach Wales verschwinden, um... für das... Ende.«
Der Dean zögerte und fügte großzügig hinzu: »Sie können meine elektrische Heizdecke haben.«
Sir Lancelot erhob sich. »Sagen wir: nächsten Montag? Bis dahin habe ich nämlich im Hotel schon gebucht und noch eine Menge Telefonate zu erledigen, mit Rechtsanwälten und dergleichen, um meine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Jetzt werde ich zu Bingham gehen.« Düster fügte er hinzu: »Weiß er?«
»Er weiß.«
Sir Lancelot verließ das Büro des Deans. Langsam schritt er ins Freie, an dem Loch vorbei, das mit der neuen Transplantationsabteilung gefüllt werden sollte. »Einen Vorteil hat es«, murmelte er bei sich, »d i e s e Scheußlichkeit werde ich nicht mehr mitansehen müssen.«
Mit niedergeschlagenen Augen trat er durch die automatische Tür in die chirurgische Abteilung und nahm den Lift zum obersten Stockwerk. Ein Lichtschimmer aus dem Anästhesieraum zeigte ihm an, daß Bingham noch operierte und seine Operationsliste mit kleineren Fällen beschloß.
Mit altvertrauten Bewegungen nahm Sir Lancelot Chirurgenmantel, Kappe und Maske aus ihren Behältern. Da er den Operationssaal privat besuchte, sah er keine Veranlassung, seine Tweedhose mit etwas Sterilerem zu vertauschen. Bei solchen Gelegenheiten hatte er die Gewohnheit, sich an den Operationstisch heranzupirschen, ungesehen ein paar Augenblicke lang der Arbeit des Chirurgen zuzusehen und sich dann durch mißbilligendes Schnauben, das im ganzen Saal zu hören war, bemerkbar zu machen.
»Sir Lancelot.« Bingham blickte auf. »Schwester, schieben Sie die Brille auf meine Nase, sie ist schon wieder herunter gerutscht.«
»Wissen Sie, daß Sie alles falsch machen?«
»So?«
»Sie schneiden ja das Katgut, bevor Sie die Arterie abgebunden haben.«
»Versteht sich. Das ist die neue Technik.«
Sir Lancelot schnaubte hinter seiner Maske. »Klingt, als wär’s von einem Verrückten erfunden.«
»Ich hab’s erfunden.«
»Ja, so ist das also -« Er machte eine Pause. »Verzeihen Sie mir, lieber Junge, wie üblich ist meine Zunge mit mir durchgegangen. Ich bin blödsinnig blind gegenüber den neuen Errungenschaften der Chirurgie, die unseren Beruf voranbringen werden, wenn ich schon lange tot unter der Erde liege.«
Bingham blickte abermals auf. »Ich muß schon sagen, das ist sehr anständig von Ihnen.«
»Zu meiner Zeit habe ich vielleicht nicht alles Menschenmögliche getan, um die kurzen, mir anvertrauten Leben zu hegen, noch den kleinen Versagern Rechnung getragen, die uns alle als menschliche Wesen ausweisen. Das bedaure ich jetzt sehr. Schwester, ich glaube, Sie waren Operationsschwesternanwärterin, als ich aktiv war?«
»Sehr richtig, Sir.«
»Wahrscheinlich habe ich auch an Ihnen hin und wieder mein loses Maul gewetzt?«
»Sie haben mich einmal als Schimpansen mit zehn Daumen bezeichnet, Sir.«
»Das tut mir von ganzem Herzen leid.«
»Machen Sie das fertig!« wies Bingham seinen Assistenten an und verließ den Operationssaal, um sein Zimmer aufzusuchen.
»Wie Sie wissen, Bingham, werde ich nicht mehr
lange auf dieser unruhigen Welt weilen«, sagte Sir Lancelot, während er ihm folgte.
»Ich war ganz außer mir. Als Ihr Schüler -«
Sir Lancelot unterbrach ihn mit erhobener Hand. »Wenn nur mehr von meinen Studenten Ihre Intelligenz, Ihre Energie und Ihren unablässig forschenden Geist besessen hätten! Es tut mir leid, daß ich Sie zuzeiten für einen engstirnigen dünkelhaften Besserwisser hielt.«
Bingham begann seinen Mantel auszuziehen. »Darf ich Sie um etwas bitten, Sir Lancelot? Ich bin sicher, daß Sie zustimmen werden. Sie sind ein außergewöhnlicher Mensch, sowohl körperlich als auch geistig.«
Sir Lancelot neigte gnädig sein Haupt.
»Wie Sie wissen, bin ich Chef des St.-Swithin-Transplantationsteams; so habe ich mich gefragt, ob ich, in sechs Monaten, glaube ich -«
»Aber ich habe doch diese beschissene asiatische Krankheit«,
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