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Finger weg Herr Doktor!

Finger weg Herr Doktor!

Titel: Finger weg Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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hätte ich mir denken können. Zum Teufel, glauben Sie, daß ich auch nur eine Minute Schlaf finde, wenn es hier so laut zugeht wie in Dantes Inferno? Was veranstalten Sie hier eigentlich? Eine Art sadistische Orgie?«
    »Guten Abend, Sir Lancelot. Fall von akutem Hexenschuß! Vielleicht wären Sie so freundlich, mir zu helfen?«
    Sir Lancelot warf Iris einen bösen Blick zu. »Ich nehme an, Sie sind die Tochter des Patienten?«
    »Das bin ich nicht! Wenn Sie’s wissen wollen, ich bin schon auf dem Sprung zu meinem Bus.«
    Sie fischte sich ihre Kleider und verschwand in den Nebenraum. Sir Lancelot kraulte seinen Bart. »Ich fürchte, ich habe schon zu lange auf dem Land gelebt. Sie wissen doch, Grimsdyke, daß Ihre Behandlung völlig falsch ist? Da ich nun schon einmal hier bin, überlassen Sie die Sache lieber mir. Keine Angst, werter Herr«, sagte er zu dem Patienten, »ich bin zufällig konsultierender Chirurg. Ich erinnere mich noch gut, wie ich unter ähnlichen Umständen zum alten Herzog von Skye und Lewis gerufen wurde. Er hatte sich nicht nur den Knöchel gebrochen, sondern ich mußte sogar die Dienste eines Zimmermanns in Anspruch nehmen, um ihn aus den Trümmern seines Himmelbettes zu befreien.« Sir Lancelot kicherte. »Der liebe alte Herzog war immer ein Mann von beachtlicher Phantasie und Unternehmungslust.«

7

    »Mein lieber, lieber Lancelot«, sagte der Dekan von St. Swithin, »lieber alter Kamerad! Nie hätte ich in all den Jahren, da ich Ihre Freundschaft genoß, gedacht, daß ich Ihnen eine so schreckliche Nachricht würde überbringen müssen. Nun, Sie haben es wie ein Mann getragen. Nicht, daß ich von einem Mann Ihres Formates etwas anderes erwartet hätte.«
    Schwermütig ließ Sir Lancelot das Röntgenbild sinken. Es war am späten Nachmittag des folgenden Tages, und sie saßen allein im Büro des Deans.
    »Ich hätte nie auf diese verdammte Fernostreise gehen sollen«, sagte Sir Lancelot schicksalsergeben.
    »Ja, es ist wirklich eine ganz, ganz seltene asiatische Krankheit, die Sie sich da zugezogen haben.«
    »D a s ist kein wirksamer Trost.« Der Chirurg zuckte die Achseln. »Dabei fühle ich mich wohl. Ich kann mich nicht erinnern, je so fit gewesen zu sein.
    Trotz einer schlaflosen Nacht könnte ich den Serpentine-Teich der Länge nach durchschwimmen und anschließend rund um den Hydepark laufen. Es ist lächerlich!«
    Der Dean seufzte unglücklich. »Das ist das Tragische daran. Vielleicht kennen Sie sich mit den Symptomen nicht so gut aus? Ich gestehe, ich mußte sie selbst nachschlagen. Nach den Büchern zu schließen, hat der Patient ein euphorisches Gefühl des Wohlbefindens. Bis dann ganz plötzlich - wumm.«
    »Wumm?« Sir Lancelot strich sich den Bart. »Wie lange? Zwölf Monate?«
    »Nun, ja...«
    »Neun?«
    »Ich würde sagen sechs.«
    Er nickte langsam. »So muß ich also diesen dreckigen Planeten verlassen? Na gut, ich glaube, ich habe ein schönes Leben gehabt. Einmal trifft es jeden von uns. Und trotz unserer unerschütterlichen inneren Selbstgefälligkeit wird sich die Welt ohne uns genauso geschäftig und glücklich weiterdrehen.«
    »Sie haben der Menschheit sehr viel gegeben.«
    »Ich weiß nicht. Aber sicher habe ich ihr viele genommen.«
    Der Dean spielte mit dem Stethoskop, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben - irgendwelche letzte Anliegen...?«
    »Nur eines«, sagte Sir Lancelot mit fester Stimme. »Sie werden sich erinnern, daß ich gestern erwähnte, ich würde aufgrund unseres Stiftungsbriefes gern ein paar Krankenfälle übernehmen. Ich glaube, Sie sind dieser Idee nicht sehr wohlwollend gegenübergestanden.«
    »Vergeben Sie mir.« Der Dean war über sich selbst entsetzt. »Ich war geradezu viehisch selbstsüchtig.«
    »Vergessen wir das«, sagte Sir Lancelot freundlich. »Aber während der Zeit, die mir noch bleibt, würde ich gerne hin und wieder ein paar Patienten sehen. Im übrigen hat man mich oft einen chirurgischen Karrengaul genannt. So will ich auch in den Sielen sterben.«
    »Patienten? So viele Sie wollen!« lud ihn der Dean großzügig ein. »Ich bin sicher, sie werden einverstanden, ja sogar zutiefst dankbar sein. Sie werden ihre Operationsnarben stolz den Enkelkindern zeigen und sagen: >Das war Sir Lancelot Spratts Werk<. Wie Kriegswunden.«
    »Richtig«, sagte Sir Lancelot. Er zog sein getupftes Taschentuch hervor und hustete verhalten.
    »Ich bin sicher, daß Ihnen Professor Bingham seine Chirurgiesäle

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