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Fingermanns Rache

Fingermanns Rache

Titel: Fingermanns Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christof Weiglein
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vorliegen.«
    »Wird wohl eine lange Nacht werden.«
    »Das wird es.«

Gegen den Strom
    Tag acht, Sonntag, der 20. April
    Der ungewohnte Straßenlärm weckte Marion. Sie drehte sich auf den Rücken und zog die Decke bis zu ihrer Nase. Kalt und unbequem war es. Durch das gekippte Fenster drangen die Geräusche der erwachenden Großstadt, das blasse Licht einer Straßenlaterne warf einen Schatten an die Decke des Aufenthaltsraumes.
    Fröstelnd stand Marion auf und zog sich Pullover und Schuhe an. Sie hasste es, in ihren Kleidern zu schlafen; eine heiße Dusche hätte ihr jetzt gutgetan. Doch daran war nicht zu denken. Stattdessen schlich sie zur Personalküche und machte Kaffee. In der hintersten Ecke beim Heizungskörper nahm sie Platz. Marion hielt sich an ihrer heißen Tasse fest und zog die Schultern hoch – die lindgrüne Einrichtung der Küche verströmte den Charme eines OP -Saals. Wieso tat sie sich das an? Niemand zwang sie, hier zu übernachten, und niemand würde sie dafür bezahlen.
    Missmutig schaute sie auf die Uhr. In zwei Stunden hatte sich Peter Illsen angekündigt. Bis dahin war noch genügend Zeit, Ordnung in Unterlagen und Gedanken zu bringen. Kai und sie hatten bis tief in die Nacht gearbeitet, ohne Entscheidendes herauszufinden. Die Hinweise Lokis ergaben keinen rechten Sinn, und die Auswertung des Videos hatte auch noch nichts Konkretes geliefert. Genau genommen war sie so schlau wie am Abend zuvor. Einzig die rechtzeitige Fertigstellung der nächsten Folge des Romans konnte sie als Erfolg verbuchen. Heute würde sie in der Sonntagsausgabe erscheinen. Die möglichen Auswirkungen bereiteten ihr Sorge. Ihr gestriger Mut und ihre Zuversicht litten sehr unter der frühen Stunde. Am Morgen war sie immer sehr verletzlich.
    Mit schleppenden Schritten begab sie sich in ihr Büro, wo Kai Mendel schlief. Sein Gesicht hatte die Farbe des Lakens, er wirkte älter, als er war. Ihr war durchaus bewusst, warum er sich plötzlich so engagierte. Anscheinend rechnete er sich Chancen bei ihr aus. Chancen, die er nicht hatte. Kai war zwar nett, mehr aber auch nicht. Dennoch würde sie ihn nicht entmutigen – Marion brauchte ihn. Er war ein guter Ermittler, wenn er sich mühte. Dass sie dabei seine Zuneigung ausnützte, glaubte sie nicht. Vielmehr tat sie ihm einen Gefallen, denn Kai hatte sich mit seiner bisherigen Arbeitsmoral keine Freunde gemacht.
    *
    Peter Illsen stellte seinen schwarzen Alfa Romeo auf dem für den Polizeipräsidenten reservierten Parkplatz ab und griff sich den Ordner, den er letzte Nacht durchgearbeitet hatte. Muss es ausgerechnet dieses Wochenende sein?, dachte er sich. Heute hatte er mit den Kindern ins Bad gehen wollen, und für gestern hatte er seiner Frau Patricia ein gemütliches Abendessen beim Italiener versprochen. Patricia hatte ihm keine Vorwürfe gemacht, aber er glaubte, eine gewisse Resignation in ihrem Blick gesehen zu haben. Gerade jetzt, wo er sich so bemühte.
    Als er ausgestiegen war, zog er sich hastig seine halblange Lederjacke an und wischte sich einen Regentropfen von der Glatze. Dann nahm er den Kuchen, den Patricia extra für heute gebacken hatte. »Toller Sonntag«, zischte er und strebte in das Dienstgebäude des LKA 1.
    Der Beamte an der Pforte grüßte ihn und sagte: »Morgen, Herr Illsen. Das ist aber nicht Ihr Parkplatz.«
    »Stimmt. Aber ich werde nicht gerne nass. Und was nicht ist, kann ja noch werden.«
    »Sie Polizeipräsident? Na, dann mach ich den Innenminister.«
    »Warum nicht, Riedel? Es kann ja nur besser werden.«
    »Da haben Sie recht. Schönen Tag noch.«
    »Danke, gleichfalls«, rief Illsen, als er schon auf der Treppe war. Im Gang, der zu Marion Tesics Büro führte, verlangsamte er seinen Schritt. Der Chef des LKA 1, Jochen Sandt, hatte ihn über die besondere Situation aufgeklärt. Illsen wusste jetzt, dass Marion Tesic befähigt war, die Leitung der Ermittlungen zu übernehmen, und dass sie sehr auf ihre Karriere achtete.
    »Ihr fehlt es nicht an Selbstbewusstsein«, hatte Sandt gesagt. »Wenn Sie auf eine gute Zusammenarbeit Wert legen, sollten Sie diplomatisch vorgehen und nicht zu sehr als ihr Vorgesetzter auftreten. Insgeheim hat Tesic damit gerechnet, Schortens Nachfolgerin zu werden.«
    »Was wird aus Schorten?«, hatte er gefragt.
    »Der ist erst einmal für zwei Wochen krankgeschrieben. Danach geht er in Kur, und dann schauen wir mal. Es gibt genug Stellen im Innendienst, die es zu besetzen gilt. Schorten ist ein sehr guter Mann,

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