Fingermanns Rache
Vorgehen. Sie haben das Leben von Fabian Flaig unnötig gefährdet.«
»Ich bin überzeugt, dass ihm nichts geschehen wird. Des Weiteren bin ich überzeugt, dass wir Loki und Arndt einen Strich durch die Rechnung machen und sie zu Fehlern zwingen. Denn wenn wir ehrlich sind, dann folgen alle anderen Maßnahmen doch nur ihren Vorgaben – Manipulation bleibt deshalb für mich das Hauptmotiv. Insofern ist meine Vorgehensweise nur konsequent.«
»Es tut mir leid, aber ich kann Ihre Sichtweise nicht teilen. Das Motiv und die Verwicklung Arndts, das ist mir viel zu vage. Die Masse an Hinweisen und Spuren reichen meiner Meinung nach vollkommen aus, um die Täter zu überführen. Das ist alles nur eine Frage der Zeit.«
»Darin liegt doch gerade Lokis Strategie. Wir haben zu wenig Zeit und zu wenig Personal, und so bindet er mit seinen Hinweisen all unsere Kräfte. Dem müssen wir entgegenwirken, wir müssen agieren. Deshalb sollten wir noch weitere Maßnahmen treffen. Ich würde gerne noch einmal mit Miriam Eisen sprechen und mich in dem Archiv des Kinderheims umsehen. Wenn es einen Schlüssel zur Lösung der beiden Fälle gibt, dann liegt er dort.«
»Frau Eisen war doch die Betreuerin, die sich wegen des Kinderreims gemeldet hatte?«
Marion nickte.
»Wenn ich mich nicht irre, lebt sie irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern. Die Fahrt dorthin benötigt viel Zeit.« Illsen überlegte kurz und sagte dann: »Nein, das geht nicht. Bei all den Aufgaben, die uns hier erwarten, kann ich dem nicht zustimmen, zumal die von Sandt versprochene Verstärkung nun doch nicht kommt. Ich muss Prioritäten setzen, und die liegen nun mal hier. Außerdem haben Sie durch Ihre Eigenmächtigkeit doch schon genug erreicht.«
Marion verschränkte ihre Arme und schaute angestrengt an Illsen vorbei. Sie musste seinen Anweisungen Folge leisten, auch wenn es ihr schwerfiel.
Vom Gang aus war Lärm zu vernehmen. Alle drei drehten ihren Kopf. Die Bürotür wurde einen Spalt weit geöffnet und wieder heftig zugezogen. Es entbrannte ein Streit, und jemand trat gegen die Tür. Marion stand auf und öffnete. Wie erwartet fand sie Wilbur Arndt vor, der von einem uniformierten Polizeibeamten festgehalten wurde.
»Auch Gewalt kann das Schicksal nicht aufhalten«, rief er und wand sich unter dem Griff des Beamten.
»Sie können ihn loslassen«, sagte Marion.
»Er wollte nur eine Zeitung holen und ist dann plötzlich losgerannt. Weiß Gott, warum der so schnell auf den Beinen ist«, entschuldigte sich der Kollege.
»Wilbur Arndt ist für uns alle ein Rätsel. Warten Sie bitte vor der Tür«, entgegnete Marion.
Arndt setzte sich ungefragt auf Marions Stuhl. Sie machte ihn mit Illsen bekannt. Peter Illsen fuhr sich über die Glatze und fixierte Arndt.
»Sie haben uns die Zeitung mitgebracht, Herr Arndt?«, fragte er.
»Vor dieser Zeitung kann ich nur warnen. Es stehen lauter Lügen darin.«
»So?«
»Nehmen Sie nur mal die neueste Episode des Fortsetzungsromans. Alles falsch. Abgesehen vom Stil, der, gelinde gesagt, verbesserungswürdig ist, kann die Geschichte so unmöglich weitergehen.«
»Woher wollen Sie das denn wissen?«, mischte sich Marion ein.
»Intuition, reine Intuition. Natürlich kenne ich die Stichworte zu dieser Episode, falls es überhaupt welche gibt, nicht.« Arndt schenkte Marion ein breites Grinsen. »Aber als Verfasser der ersten Folgen habe ich ein Gespür für den weiteren Verlauf der Geschichte.«
»Und wie sieht der aus?«
Arndt legte die Zeitung auf den Tisch und betrachtete seine Hände, die leicht zitterten. »Sehen Sie, was ich sehe?«
Während Illsen nicht verstand, fragte Marion: »Haben wir noch was da, Kai?«
Der nickte und machte sich an seinem Schreibtisch zu schaffen. Als er ein bis zum Rand gefülltes Kognakglas vor Arndt abstellte, sagte er: »Wir haben schon alles versucht, Herr Illsen. Ohne Alkohol redet unser Schriftsteller nicht.«
Illsen sagte nichts und verzog auch keine Miene, als Arndt das Glas in einem Zug leerte. »Ob die Abgabe von Drogen an hilflose Obdachlose in diesen Räumen gestattet ist?«, fragte er und stieß auf.
»Können wir jetzt fortfahren?« Marion war genervt.
»Je wütender sie ist, umso schöner ist sie. Nicht wahr, Herr Illsen?«
»Lassen Sie sich nicht auf seine Spielchen ein«, warnte Marion.
Illsen zuckte mit den Schultern, seine Miene war noch immer unbewegt. Man sah nicht, was er dachte.
»Es freut mich, Sie in dieser Runde anzutreffen«, sagte Arndt. »Sie sind ein
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