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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zujubelten. Einen Monat lang war er unfähig zu arbeiten, und Phineas T. Barnum zahlte neben den insgesamt 1500 Dollar aus dem Wettanteil und dem Gewinn aus den Zusatzwetten sämtliche Krankenhausrechnungen sowie zwei Monatsgehälter. Dann, fünf Wochen nach dem Wettkampf, tat sich Barnum mit den Booth-Brüdern, Forrest und anderen New Yorker Theatergrößen zusammen und organisierteeine Benefizgala, bei der 8000 Dollar für Moriarty und 2000 für Latour zusammenkamen.
    Anfang April stand Moriartys nächster Arztbesuch bei Doktor Sutherland an, der ihn seit dem Rennen behandelte. Er verließ die Praxis als gebrochener Mann. Die Anweisung des Arztes war unmissverständlich gewesen: Moriarty hatte ein »Sportlerherz«, und der Traum vom Laufen war ein für alle Male gestorben.

5
MORIARTYS
WEITERER WERDEGANG
    Die erste Nacht der dreiwöchigen Reise träumte Moriarty von Urwaldtrommeln. Am zweiten Morgen war ihm, als hörte er weit über sich ein rhythmisches Klopfen, doch es verklang, und nur noch das gewohnte Klatschen der Wellen gegen den Schiffsrumpf der S.S. Troy war zu hören, die Richtung Liverpool, England, über den ruhigen Atlantik glitt.
    Die Jahre seit seinem Wettlauf gegen Latour waren fruchtbar gewesen. Moriartys Freundschaft mit den beiden Booths hatte ihm zu ein paar guten Rollen an den New Yorker Theatern verholfen, und mehrfach war er mit dem exzentrischen, temperamentvollen John Wilkes Booth auf Tournee gegangen, um in dessen Hamlet den Laertes zu geben.
    Vor allem aber war es die Freundschaft zu Barnum gewesen, die seine künstlerische Bandbreite erweitert hatte. Barnum hatte ihn ermutigt, Komödien und Melodramen zu spielen und ihn mit Turnern und Kunstreitern zusammengebracht, die aus ihm, ehe er sich’s versah, einen erstklassigen Akrobaten und Reiter gemacht hatten. Edwin Booth hatte ihn darin bestärkt, denn je vielseitiger Moriarty war, desto besser konnte er sich in den verschiedensten Theatersparten hervortun.
    Moriartys Verquickung von »seriösem« Drama mit Lustspiel, Zirkus und Melodrama hätte der Vielfalt der bunten New Yorker Theaterszene Mitte des 19. Jahrhunderts nicht besser gerecht werden können. Es drängte Moriarty danach, sich so viel Können wie möglich anzueignen. Er wusste nur zu gut, dass er als Tragöde niemals mit Boothmithalten konnte, doch dafür besaß er eine Variationsbreite, an die selbst Booth nicht herankam. Er war, so formulierte es Booth, »einen Zoll tief, aber eine Meile breit«.
    Als Booth Ende 1861 entschied, die englischen Bühnen zu erobern wie sein Vater 36 Jahre zuvor, und seinen jungen Freund bat, ihn zu begleiten, zögerte Moriarty keinen Augenblick. Es gab zwei Dinge, die seine Begeisterung noch steigerten. Zum Einen hatte Alice Clay – die inzwischen einen skrupellosen New Yorker Millionär geehelicht hatte und nun Mrs. Millard Cohen hieß – ihm vor ihrer großen Europareise zu verstehen gegeben, dass sie von ihrem behäbigen, mittelalten Gatten bereits die Nase voll hatte und darauf baute, ihre Beziehung nach ihrer Rückkehr wieder aufleben zu lassen. Doch so verlockend Alice Clays Angebot auch sein mochte, Moriarty war nicht besonders erpicht darauf, mit einem von Cohens Schlägern Bekanntschaft zu machen.
    Zum Zweiten war England die Heimat des Laufsports, und Moriarty konnte es kaum erwarten, die größten Läufer der Welt zu sehen. Erst ein Jahr zuvor hatte der englische Impresario George Martin die Crème de la Crème der britischen Profiläufer nach New York gebracht, und die besten Amerikaner waren von ihnen einfach abserviert worden. In der New Yorker Presse hatte es Aufrufe gegeben, Moriarty solle auf die Piste zurückkehren und den unbesiegbaren Engländern einen Denkzettel verpassen. Doch vernünftigerweise hatte er abgelehnt.
    Trotzdem hatte Moriarty es mit Sutherlands Anweisungen nicht ganz genau genommen. Es war ihm einfach unmöglich, keinen Sport mehr zu treiben, und nur wenige Wochen nachdem der Doktor ihn entlassen hatte, war er ins Turner-Institut zurückgekehrt und hatte mit einem leichten Trainingsprogramm begonnen. Im September 1859 hatte er wieder angefangen, auf der Dachbahn seine Runden zu drehen, zuerst nur eine Meile am Tag in gemächlichen sieben Minuten. Zwei Jahre später lief er aufder Brooklyner Hallenbahn drei Meilen täglich, die Meile in kaum mehr als fünf Minuten. Die Kombination aus Muskeltraining mit Keulen und Hanteln und einem leichten, langsam gesteigerten Laufprogramm hatte den dreiundzwanzigjährigen

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