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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Sezessionskrieges auf der Seite der Konföderierten – und Booth war ein überzeugter Yankee. Deshalb hatte Philip Barrett, der die Geschäfte des siechen Thrush übernommen hatte,Booth einen hastigen Brief nach New York geschrieben und ihm geraten, die Tour zu streichen oder wenigstens zu verschieben. Doch da sie nun einmal hier waren, musste eine irgendwie geartete Tour auf die Beine gestellt werden. Allerdings war die Truppe, die sich per Zug auf den Weg Richtung London zu ihrem ersten Engagement im Haymarket Theatre machte, alles andere als motiviert.
    In beklommenem Schweigen ratterten die Meilen vorüber. Booth hockte mit starrer Miene in einer Ecke des Waggons und vertraute Moriarty abergläubisch an, es sei alles seine Schuld. Niemals hätte er kurz vor seiner Abreise aus New York seine Glückshaube weggeben sollen. Und den Schädel von Lovett dem Pferdedieb, den er stets in der Totengräberszene des Hamlet verwendete, hätte er auch mitnehmen sollen.
    Obwohl Moriartys Laune nicht wesentlich besser war, beschloss er, gute Miene zu machen, und konnte Booth mit viel Fingerspitzengefühl dazu bewegen, ein paar Geschichten aus seiner Schauspielvergangenheit zum Besten zu geben. Die Reise nach London verging denn auch angenehmer als befürchtet, und als Philip Barrett und seine amerikanischen Gäste am Abend die Hauptstadt erreichten und ihr Quartier am Sloane Square bezogen, hatte sich die Laune ein wenig gehoben.
    Booth zerbrach sich mächtig den Kopf, mit welchem Stück er sein nur noch drei Wochen entferntes Debüt am Haymarket geben sollte. Schließlich entschied er sich, den Shylock im Kaufmann von Venedig zu spielen, neben Moriarty als Bassanio, und vier Tage nach ihrer Ankunft wurde mit den Proben begonnen. Zum Glück war das Stück gerade von einem Wandertheater in Birmingham aufgeführt worden, und obgleich die Porzia schon weit jenseits der vierzig war, engagierte Booth die Truppe buchstäblich en bloc . Die Nebendarsteller ließen allesamt schwer zu wünschen, doch Booth hatte keine Wahl. Mit seinem Shylock war er in den Vereinigten Staaten äußerst erfolgreich gewesen,und er wollte damit auch seinen Einstand beim englischen Publikum geben.
    Die Kulissen und Kostüme waren nicht minder beklagenswert: Die Bühnenbilder waren nach sechsmonatiger Tour lädiert und mühsam geflickt, die Kostüme ein schlecht geschneidertes Sammelsurium der verschiedensten Epochen.
    Unbeirrt machte sich Booth in den folgenden zwei Wochen daran, seine lumpige Truppe in Form zu bringen, und weder der Alkohol noch die Tatsache, dass Mary in nur zwei Monaten ihr erstes Kind zur Welt bringen sollte, konnten seine unerschöpfliche Energie bremsen.
    Er fand sogar die Zeit, gemeinsam mit Moriarty zu Deerfoots erstem Wettkampf auf britischem Boden zu gehen. Deerfoot trat vor 10   000 Zuschauern in Hackney Wick gegen Edward Mills an, besser bekannt als »Das junge England«. Der Lauf ging über sechs Meilen, und dem Sieger winkte eine Prämie von 500 Dollar. Doch obwohl Deerfoot seinen Gegner bis zur Ziellinie ordentlich ins Schwitzen brachte, saß ihm die Seereise noch in den Knochen, und er verlor ganz knapp mit bescheidenen 32 Minuten und 30 Sekunden. Ein paar Tage später allerdings strömten die Menschen ins Salford-Stadion, um einen Blick vom »Indianerwunder« zu erhaschen, und Deerfoot hatte Jack White, den »Renner von Gateshead«, der ebenfalls zu George Martins Läuferteam für die Vereinigten Staaten gehört hatte, von der Bahn gefegt. Immerhin ein Amerikaner schien auf die Siegerstraße eingebogen zu sein, und Moriarty hoffte, dass ihm das Gleiche gelänge.
    Bei seinem ersten Auftritt als Shylock war Booth in Hochform, es war eine feinsinnige, einfühlsame Interpretation, die selbst seine mittelmäßigen englischen Nebendarsteller berührte und einige zu ungeahnter Form auflaufen ließ. Moriarty spürte, welch mitreißende Kraft von Edwins Darbietung ausging, und selbst Mrs. Moody, die arthritische Porzia, erschien um Jahre jünger.
    Die Reaktion des Publikums war heftig, aber beherrscht, denn dies war nicht der Shylock, den sie kannten. In den allerersten Morgenstunden nahm Moriarty eine Droschke in die Fleet Street, um die druckfrischen Rezensionen zu kaufen und sie in die Sloane Street zu bringen. Die englischen Kritiker zeigten sich allenfalls verhalten: »Um das Unmaß seines Vaters zu vermeiden, flüchtet er sich ins Gegenteil und ist manchmal kaum zu hören«, schrieb die Times . »Mr. Booths tiefe Abneigung

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