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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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beim Ziehen geübt, hatten wie Standbilder im Morgendunst gestanden, zuerst nebeneinander und dann gegenüber, und sich abwechselnd »aufgerufen«. Keiner der beiden hatte die Züge gezählt, doch irgendwie wussten beide instinktiv, wann es Zeit war, eine Übung zu beenden und zur nächsten überzugehen. Dann waren die Zug- und Schussübungen an der Reihe gewesen, mit ein paar alten Arbuckle’s-Dosen, die sie in 20 Metern Abstand auf einen Felsen stellten. Die beiden Männer ergänzten sich perfekt, und als hätte eine unsichtbare Hand sie heruntergefegt, flogen die Dosen nach jedem Zug fast gleichzeitig in den Staub. Zum Schluss wurden sie in die Luft geworfen und heruntergeschossen. Der eine oder andere Schuss ging daneben, doch das war kaum der Rede wert.
    Als die Übungsstunde vorüber war, hätte kaum jemand die beiden mit Sicherheit voneinander unterscheiden können, denn oft genug zogen, luden und zielten sie gleichzeitig. Überraschenderweise hatte die Sache nichts von einem Wettstreit. Vielmehr halfen die beiden einander, gaben sich Ratschläge zur Haltung, Handstellung oder Neigung des Pistolenknaufs. Es war, als strebten Billy Joe und Buck gemeinsam nach einem absoluten Moment, in dem Reaktion, Reflex und Aktion zu einer fließenden, perfekten Einheit verschmelzen würden. Doch hinter dieser Zusammenarbeit und Suche nach Perfektion verbarg sich ein heimliches, bisweilen erbittertes Ringen. Wie immer flog Billy Joe alleszu. Beidhändiger Cross Draw mit zwei Pistolen, Fanning, linkshändiger Zug – egal, welche neue Übung auf dem Plan stand, der Texaner hatte sie schneller raus. Der dunkle Buck hingegen mühte sich verbissen ab und brauchte doppelt so viele Anläufe, ehe er drauf hatte, was der goldhaarige Billy Joe sofort und mit größter Lässigkeit beherrschte. Doch nach endlosen Wiederholungen holte Buck ihn endlich ein und war schließlich gar einen Deut schneller als sein Freund. Und Billy Joe fragte sich, wie viele nächtliche Übungsstunden wohl folgten, wenn er selbst schon längst schlief.
    Zufrieden mit ihrer morgendlichen Arbeit, schlenderten Billy Joe und Buck zum Wagen zurück, wo Eleanor und Mandy Boone das Frühstück machten.
    Als sich die beiden Männer der Feuerstelle näherten, über der Speck in einer dreibeinigen Bratpfanne brutzelte, sah Moriarty auf. Er zog seine Uhr aus der Westentasche und warf einen Blick darauf.
    »Ihr habt euch da draußen ja richtig verausgabt«, brummte er in seiner tiefen Morgenstimme und wendete den Speck mit einer Gabel. »Klang wie die Schlacht am Bull Run.« Er bedeutete ihnen, sich auf ihre Sättel ans Lagerfeuer zu setzen.
    Mandy stieg lächelnd aus dem Wagen und drückte ihnen zwei Blechteller in die Hand. »Du kennst ja den Spruch: Übung macht den Meister.«
    »Übung macht beständig, trifft’s vielleicht eher«, knurrte Moriarty. Er setzte sich ans Feuer, und Mandy teilte Brötchen und Speck aus. Er goss gerade dampfenden Kaffee in eine Tasse und reichte sie Buck, als sich Eleanor zu ihnen gesellte, die in ihrem karierten Kleid mit dem hohen, weißen Kragen wie immer makellos aussah.
    »Und, wer ist der Bessere? Noch immer Billy Joe?«, fragte sie gespielt arglos.
    Buck nickte und versuchte, sich seine Unzufriedenheit nicht ansehen zu lassen. »Nimmt sich aber nicht viel.«
    Grunzend hielt Moriarty ihm den Kaffee hin.
    »Doch was sagt das schon«, fügte Buck hinzu.
    »Wie meinst du das?«, fragte Billy Joe ebenfalls scheinbar gelassen.
    »So, wie ich es sage«, antwortete Buck. »Man kann’s nicht ernst nehmen.«
    »Ich glaube, ich weiß, was Buck meint«, sagte Eleanor und sah die beiden jungen Männer an. »Auf Konservendosen und Steine zu schießen ist ein bisschen wie Proben. Zwar kennt man den Text, aber vor einem Publikum zu stehen ist noch etwas ganz anderes.«
    Moriarty angelte sich ein Stück geröstetes Brot und legte es auf seinen Teller. »Mandys Vater hat’s in Canyon City auf den Punkt gebracht. Man muss den Willen haben. Ein Möchtegern-Revolverheld hat keine Ahnung von dem Bruchteil einer Sekunde, der über Leben und Tod entscheidet. Ein echter Revolverheld hingegen ist aufs Töten abgerichtet. Der zuckt nicht, wenn’s mal hart auf hart kommt.«
    Buck nickte. »So ist es, Moriarty. Wenn der sein Handwerk nicht von Anfang an richtig beherrscht, wird er übern Haufen geschossen, und dann kräht kein Hahn mehr nach ihm.«
    »Das ist wohl nicht das richtige Gesprächsthema fürs Frühstück«, sagte Eleanor, die ahnte, worauf

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