Finish - Roman
Pferdehufe hatten den Rasen bei sechs vorangegangenen Trabrennen durchpflügt, und die Sprinter hatten starken Gegenwind. Fünfzehn Läufer mit je 200 Dollar Einsatz waren auf drei Ausscheidungsrennen verteilt worden, von denen jeweils die ersten zwei ins Finale einzogen.
Buck war Moriarty von vornherein sympathisch gewesen. Der Junge aus Boston hatte seinen Vorlauf mit Leichtigkeit gewonnen, sechs Zehntelsekunden über der Sollzeit und zwei Zehntelsekunden schneller als der Nächstschnellste, ein kleiner Mexikaner namens Gomez. Hutchings, der Buck in Boston geschlagen hatte, schaffte die letzte, entscheidende Sekunde erst im letzten Vorlauf.
Moriarty gönnte dem jungen Miller eine kleine Erholungspause und spazierte dann über die wimmelnde Rennbahn zu dessen Zelt hinter der Tribüne. Als er näher kam, sah er, dass sich zwei von Cummings’ Preisboxern mit grimmig verschränkten Armen und streitlustigen Visagen davor aufgebaut hatten. Moriarty wusste Bescheid: Wenige Stunden vor dem Finale ließ Cummings’ seinen Mann nicht aus den Augen. Er beschloss, seine Wette auf Buck zu erhöhen, und machte sich auf den Weg zu dem kleinen Juden Len Levine, seinem Buchmacher. Überrascht musste erfeststellen, dass die Quoten für Buck von zwei zu eins auf fifty-fifty gestiegen waren, derweil Hutchings’ Quoten von drei zu eins dagegen auf fifty-fifty gefallen waren. Irgendetwas war im Busch. Wenn so spät noch großes Geld auf Hutchings gesetzt wurde, roch das nach einem Coup. Moriarty ging zu Bucks Lager zurück, doch diesmal näherte er sich dem Zelt von hinten.
Zwei Stunden vor dem Finale fühlte Buck sich gut. Er lag auf seinem Feldbett und ließ sich vom ungerührten Routledge die Beine mit Salbe massieren. Das Halbfinale war ein Kinderspiel gewesen, und er konnte noch zwei Zehntelsekunden oder mehr herausholen, da war er sich ganz sicher. Mit 15 Läufern im Rennen würden im Wettzelt am Ziel 3000 Silberdollar auf ihn warten. Er spürte förmlich schon, wie das Geld ihm die Taschen ausbeulte. Die Sache hatte sich vollauf gelohnt – die Abführmittel, das Schwitzen, die endlosen Meilen durch die Adirondacks –, und nun war der Preis zum Greifen nah.
Plötzlich bemerkte er, dass Cummings neben ihm stand.
»Phantastisch«, sagte der in seinem weichen irischen Akzent. »So habe ich im Leben noch keinen laufen sehen.«
Buck stützte sich auf die Ellenbogen. »Danke, Mr. Cummings.«
Cummings beugte sich über die Liege, und der schale Geruch von Bier und Zigarren ließ Buck schaudern.
»Und was für ein Gefühl hast du beim Finale?«
»Das krieg ich für Sie hin, Mr. Cummings.«
»Na klar kriegst du das hin, mein Junge«, sagte sein Gönner. »Der Einzige hier, der Buck Miller schlagen kann, ist die Rothaut höchstpersönlich, hm, Routledge? Und der läuft nicht mit.«
Routledge nickte und knetete Bucks Waden.
Cummings zog ein durchsichtiges Glasfläschchen aus der Jackentasche, deren dunkelbrauner Inhalt an Hustensaft erinnerte.
»Hab hier ein kleines Belebungsmittel für dich, Buck. Das holt dir noch ’ne Zehntelsekunde raus.«
Buck legte sich zurück. »Nicht nötig, Mr. Cummings, vielen Dank.«
Cummings warf Routledge einen vielsagenden Blick zu, und der Trainer unterbrach seine Beinmassage und wischte sich die Hände an einem kratzigen Handtuch ab. Dann ging er zum Zelteingang, verschloss ihn und kehrte zur Liege zurück.
»Buck, mein Junge, das ist ’ne todsichere Angelegenheit«, raunte Cummings leise und griff nach einem großen Löffel auf dem Nachttisch. Irgendetwas in Cummings’ Stimme veranlasste Buck, sich wieder aufzurichten. Er sah, dass die beiden Schläger jetzt zusammen mit Routledge sein Bett flankierten, während Cummings die braune Flüssigkeit bedächtig auf den Löffel rinnen ließ.
»Buck, mein Junge, das gehört zum Trainingsprogramm«, raunte Cummings.
Ehe Buck sich rühren konnte, hatten ihn die beiden Schläger auf das Bett gedrückt. Geschickt zog Routledge seine Kiefer auseinander. Cummings goss ihm den Inhalt des Löffels in die Kehle. Buck hustete und bespritzte dabei die beiden Wachmänner. Es half nichts. Cummings goss einen zweiten Löffel voll und jagte ihn Buck in den Hals. Diesmal blieb er unten. Buck wand sich hilflos, und Tränen und Schweiß rannen ihm über die Wangen. Cummings nickte seinen drei Helfern zu, und sie ließen den würgenden, hustenden Buck los.
»Und wenn du dir die Seele aus dem Leib rennst, mein Prachtbursche«, sagte Cummings. »Du hast keine
Weitere Kostenlose Bücher