Finish - Roman
hatten sie in diesemGlauben bestärkt, denn unter den verlässlichen Bedingungen der dortigen Bühnen hatten sie ihre bislang besten Inszenierungen auf die Beine gestellt.
Doch egal, was der Winter in San Francisco für Eleanor und Mandy, für Moriarty, Buck und Billy Joe bedeutete, er bot nur eine kurze Atempause, um neue Coups für das Frühjahr und den Sommer 1876 zu planen.
Eleanor stand auf und trat ans Bett. Vielleicht sollte sie nicht so hart gegen Moriarty sein. Sein Leben mit Barnum, Edwin Booth, Alice Clay und Junius Brutus Booth war von Anfang an wie ein Traum gewesen. Ein Teil dieses früheren Lebens war im vorigen San Franciscoer Frühjahr in Form von Gregor McGregor wieder an die Oberfläche gestiegen.
Gregor, inzwischen über 50, spielte mittlerweile Charakterrollen am San Franciscoer Palace Theatre und war bei Moriarty mit der Schnapsidee aufgetaucht, zum Goldsuchen in die Black Hills aufzubrechen, wo man in letzter Zeit angeblich des Öfteren Spuren des gelben Metalls gefunden hatte. »Riesenbrocken von dem Zeug, groß wie Truthahneier«, hatte McGregor gegrölt. Vielleicht gab es also tatsächlich ein Abkommen mit den Indianern, und vielleicht hatte General Crooke tatsächlich den strikten Befehl, alle Goldsucher fernzuhalten. Doch bei 5000 Dollar Darlehen für Ausrüstung und Verpflegung war es vielleicht einen Versuch wert. Moriarty war neugierig geworden und hatte McGregor und fünf zähe schottische Grubenarbeiter mit Geld ausgestattet. Im März 1875 hatten sich der Mime und seine Gesellen auf den Weg gen Osten gemacht und versichert, sich – und Moriarty selbstverständlich – zu reichen Männern zu machen.
Eleanor hatte nichts dagegen gehabt, McGregor das Geld zu geben, wenngleich ein Teil davon ihr gehörte. Sie wusste, dass sie den ersten trostlosen New Yorker Winter 1848 ohne die Großzügigkeit des Schauspielers niemals überstanden hätten, und Moriarty war ein Mann, der seineFreunde niemals vergaß. Dennoch spürte sie, dass sich Moriarty diesmal übernommen hatte. Immerhin war erst wenige Wochen zuvor der Große San Franciscoer Hochsprung ins Leben gerufen worden.
Es war alles Phineas T. Barnums Schuld. Seit der letzten Zusammenarbeit mit seinem schottischen Freund hatte der Impresario bereits mehrere Berg- und Talfahrten hinter sich. Sein Museum war während des Südstaaten-Komplotts 1865 in Flammen aufgegangen, und Barnum war nichts anderes übrig geblieben, als seinen Lebensunterhalt mit dem Theaterzirkus zu bestreiten. Doch der Mann, der alle Welt mit der Fidschi-Meerjungfrau, General Tom Thumb, dem Riesen von Cardiff, den Siamesischen Zwillingen Chang und Eng und dem Weißen Wal in Staunen versetzt hatte, war gegen Feuersbrünste, Plagen und Sintflut immun und verlegte sich schon bald auf einen ungleich sensationsträchtigeren Zweig der Unterhaltungsbranche. Anfang Januar war »Barnums Zirkus« in San Francisco eingetroffen, hatte sein riesiges Zelt mit drei Manegen auf dem Ausstellungsgelände an der Ecke California aufgeschlagen und ein Mordsgeschäft gemacht. Nur ein paar Blocks weiter befand sich das Jenny Lind Theatre, wo Moriarty, Eleanor und Mandy mit gelegentlicher Unterstützung von Buck und Billy Joe die Wintersaison mit einem breit gefächerten Repertoire bestritten, das von Shakespeare-Querschnitten bis zu Schwänken von Ned Buntline reichte.
Mit »enormem Kostenaufwand« hatte Barnum »das Reitsportwunder des Jahrhunderts, Rittmeister Captain Whitby und sein edles Ross Salamander« aus dem englischen Newmarket einschiffen lassen. Die Meisterschaft der riesigen Stute bestand darin, zehn anderthalb Meter hohe und in zehn Meter Abstand aufgestellte Hindernisse zu überspringen, »eine in der Geschichte des Reitsports einmalige Leistung«. Niemand hatte Barnums Behauptung hinterfragt.
Zu Barnums Überraschung war »Captain Whitby« ein echter Rittmeister. Während des Krimkriegs hatte Leutnant Mark Whitby als Adjutant von Lord Raglan gedient. Der blutarme, herrische Whitby war ein Paradebeispiel für die unliebsamsten Vertreter des englischen Adels. Nach dem Aufstieg zum Rittmeister war er 1869 nach sechs ausschweifenden Jahren des Herumhurens und Polospielens in Darjeeling mit der Frau des Oberst in flagranti erwischt worden, und man hatte ihm dringend nahegelegt, seinen Posten zu räumen. 1870 war er in den Vereinigten Staaten gelandet und hatte 1871 in der Nähe von Hartford, Connecticut, eine Reitschule für Sprösslinge der Oberschicht
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