Finish - Roman
aufgezogen.
Salamander, eine herrliche weiße Stute von 1,60 Meter, war Whitby von einem Farmer namens Herbert Kranzlein angeboten worden, der sich herzlich freute, 100 Dollar für sein Tier zu kassieren. Unter Whitbys fachmännischer Führung wurde aus Salamander, die bereits mit Kranzlein gesprungen war, ein exzellentes Springpferd. Die Stute besaß die seltene Gabe, stets zum perfekten Zeitpunkt loszuspringen und zwischen zwei Hindernissen auf Whitbys kleinste Anweisungen genau zu reagieren. Sie schien selbst vor höchsten Hindernissen nicht zurückzuschrecken, und während ihrer ersten Trainingsmonate hatte Whitby sie regelmäßig an knapp 1,50 Meter herangebracht.
Whitbys Problem war, dass sich in Connecticut kein rechtes Kapital aus Salamanders Können schlagen ließ; mit den Auftritten auf den örtlichen Jahrmärkten ließen sich mit Ach und Krach die Kosten für ihre Verpflegung decken.
Ende des Jahres 1874 trat Phineas T. Barnum ins Leben des Rittmeisters. Barnum war auf der Suche nach einem 2,50 Meter großen deutschen Riesen nach Hartford gekommen und hatte sich wieder einmal damit abfinden müssen, dass sich der angebliche »Riese« als maßlose Übertreibung herausstellte – diesmal war er nur 1,85 groß. Doch während seines Aufenthaltes in Hartford war ihm dieKunde von Captain Whitbys Stute zu Ohren gekommen, und so hatte er sich auf den Weg zum Gestüt des Engländers gemacht, um der Sache nachzugehen.
Ein kurzer Blick auf das marode Anwesen hatte dem aufmerksamen Barnum genügt, um festzustellen, dass es um die Geschäfte des Rittmeisters nicht allzu gut bestellt war. Doch die milchweiße Stute war hinreißend; würde sich der Captain wohl vorstellen können, seinem Hartforder Heim den Rücken zu kehren?
Zunächst reagierte Whitby frostig. Die Arbeit in einem Zirkus war eines Offiziers und Gentlemans wohl kaum würdig, selbst bei 200 Dollar Wochenlohn. Doch gegen Abend ließ er sich dazu herab, dass ein Wochenlohn von 350 Dollar sowie Bonuszahlungen bei »Weltrekorden« durchaus überlegenswert wären.
Obwohl der Captain mit seiner unguten Mischung aus Standesdünkel und Sexprotzerei Barnum bereits mächtig auf die Nerven ging, waren seine Starqualitäten unbestreitbar. Angekündigt als »Überlebender des Todesritts der Leichten Brigade« (dabei hatte der tapfere Rittmeister dem Gemetzel lediglich aus einer Meile Entfernung durch den Feldstecher zugesehen), kam der arrogante Whitby mit seiner nonchalanten Unerschütterlichkeit bei den Amerikanern gut an. Und Salamander war schlichtweg hinreißend, ihre weiten, hohen Sprünge schienen der Schwerkraft zu trotzen. Als Barnum mit Whitby und seiner Stute in San Francisco eintraf, war Leland Stanfords Villa ihr erster Anlaufpunkt.
Bereits vor Barnums Ankunft hatte der gut betuchte Leland Stanford von Salamanders Künsten gehört. Stanford war einer der »Großen Vier« von Stanford, Huntington, Hopkins und Crocker, Gründer der Central Pacific Eisenbahngesellschaft. Er hielt große Stücke auf sich. Er sah sich eher als einen Pferdezüchter denn als einen Mann, der die Regierung der Vereinigten Staaten durch falsche Streckenangaben um Millionen von Dollar geprellt hatte. Dies unddie Erpressung zahlreicher Städte zwischen San Francisco und Promontory Point, die zur Zahlung einer »Entschädigung« genötigt wurden, wollten sie an die Central Pacific angeschlossen werden, hatten aus Stanford und seinen Kollegen Multimillionäre gemacht. Dank einer Schmiergeldzahlung von einer halben Million Dollar war Stanford inzwischen zum Gouverneur aufgestiegen und konnte sich eine Säule der kalifornischen Gesellschaft nennen.
Die Central Pacific war eine Geldmaschine gewesen, und Stanford, Huntington, Hopkins und Crocker suhlten sich in ihrem Reichtum. Huntington, ein grimmiger Neuengländer, kaltblütig wie ein Krokodil, war der Einzige der vier, der seinen Geschäftssinn auch später noch beibehielt und für seine ehemaligen Partner, die sich Villen in Nob Hill bauen ließen und wertlose französische Malerei sammelten, nur Verachtung übrig hatte.
Stanfords große Leidenschaft waren Pferde. Zwar hatte er Unsummen für die California Street Cable Railway ausgegeben, damit die Seilbahn bis auf seinen Villenhügel führte und seine Gäste vor der Haustür ablieferte, doch sein eigentlicher Stolz war die Farm in Palo Alto, 9000 Morgen Land, auf denen sich zwei Rennbahnen befanden. Auf der Farm gab es einen 60 Morgen großen Trabrennplatz, 150 Angestellte, 60
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