Finish - Roman
Kellnerinnen in Barbary Coast, die bis zu 20 Freier am Tag bedienten – die ganze Stadt hatte Feuer gefangen. Zuerst stiegen die Quoten auf acht zu eins dagegen, und in der ersten Woche wurde das Hotel, in dem Billy Joe wohnte, von Chinesen belagert, von Tong-Bossen, die sehen wollten, auf wen sie ihr Geld gesetzt hatten. Schließlich kam jemand auf die zündende Idee, die Hindernisse in Barnums Zirkus nachzumessen, und es stellte sich heraus, dass sie gerade einmal 1,45 hoch waren. Sofort fielen die Quoten auf drei zu eins gegen Billy Joe. Der Wettkampf inspirierte den Examiner zu einer Serie über »Die sportlichen Fähigkeiten des Menschen«, worin sich Anatomieprofessoren ereiferten, es verstoße gegen jedes Naturgesetz, dass derMensch über seine Körpergröße hinausspringen könne. Und schon stiegen die Quoten wieder. Ein Schotte namens Anderson schrieb einen Leserbrief und behauptete, in seiner Jugend hätten viele Schotten 1,75 geschafft, aber von 1,80 hätte er noch nie gehört. Obwohl Billy Joe keinerlei schottische Wurzeln vorweisen konnte, fielen die Quoten wieder.
Dann schrieb ein Ire namens Keane einen langen Brief an den Examiner . Lang ehe die Schotten überhaupt aufrecht laufen konnten, hätten sich die Iren im Hochspringen und Werfen hervorgetan. Bei den Tailteann Games, 2000 Jahre vor Christus. Der große Champion Cuchulain habe eine Technik namens »Lachssprung« entwickelt: Er zappelte mit den Unterschenkeln und konnte so lange in der Luft bleiben, wie er wollte. Cuchulain sei nur wieder gelandet, um den Kampfrichtern entgegenzukommen. Behauptete Keane.
Es folgte der anspruchsvolle und mit Gleichungen gespickte Beitrag eines Mathematikprofessors namens Schmidt, der zu dem Schluss kam, dass, höbe man den Schwerpunkt eines Menschen auf zwei Meter an, er durchaus 1,80 Meter überspringen könnte. Obwohl niemand Schmidts These verstand, fielen die Quoten noch weiter. Schließlich predigte ein bibelfester Methodistenpfarrer namens Frewer, es sei gegen Gottes Wille, dass der Mensch seine eigene Körperhöhe überwinde, und da Billy Joe nur 1,78 messe, sei allein der Gedanke an 1,80 Meter frevlerisch. Die Quoten stiegen wieder und pendelten sich bei fünf zu eins ein.
Als Schmidt und Keane schließlich zu einer öffentlichen Diskussion zusammenkamen, hatte Schmidt die Ausführungen des Iren über den großen Cuchulain und seinen fabelhaften »Lachssprung« mit einer knappen Frage gekontert. »Und was war mit der Schwerkraft?«
»Oh«, hatte Keane geantwortet. »Die war ihm egal.«
Von all dem ließ sich Rittmeister Whitby nicht beeindruckenund konzentrierte sich stattdessen darauf, Salamanders Anlauf zu verbessern. Zwar waren die abendlichen Sprünge im Zirkus tatsächlich keine 1,50 hoch, doch im Training trimmte Whitby seine Stute jetzt auf verlässliche 1,68, mit gelegentlichen Höhenflügen über 1,72 – was, so musste sich der Captain eingestehen, das Beste war, was Salamander je geschafft hatte.
Leland Stanford hingegen war in seinem Element. Er hatte mit Barnum und Whitby gewettet, dass, sollte Salamander verlieren, er Whitbys Vertrag samt Pferd für 30 000 Dollar kaufen durfte. Überdies war Leland Stanford in aller Munde, ein Mann des Volkes, vielleicht sogar, so überlegte er, ein künftiger Präsident der Vereinigten Staaten.
Für Barnum war ein Traum wahr geworden. Abend für Abend drängten die Menschen scharenweise in seinen Zirkus, um einen Blick auf das »Größte Springpferd der Welt« zu werfen, das – so Barnums Worte – bald zur »Entscheidung über den besten Hochspringer der Schöpfung gegen einen Menschen antreten würde«. Das Interesse war so überwältigend, dass er den Spielplan nur wenige Tage nach Wettabschluss um eine Mittwochsmatinee und zwei wöchentliche Vorträge des »Weltbesten Reiters Captain Mark Whitby« zur »Kunst und Wissenschaft des Reitens« erweiterte. Die Einkünfte der Matineen und Vorträge lagen nie unter 500 Dollar, und Barnum machte halbe-halbe mit Whitby, dessen edelmännisches Befinden seinem Gespür für schnelles Geld keinen Abbruch getan hatte.
Schon bald war Moriarty dem Spielfieber erlegen, das die ganze Stadt erfasst hatte. Am Ende der zweiten Woche hatte er insgesamt 10 000 Dollar zu Quoten von vier bis sechs zu eins verwettet und die Warnungen Eleanors und seines Bankiers A.P. Wagstaffe in den Wind geschlagen. Doch eine leise innere Stimme raunte ihm zu, dass er diesmal zu weit gegangen war – und als sich die erste
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