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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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eintraf, fiel sie in Iskas Arme. Die beiden Frauen versuchten sich gegenseitig Mut zu machen. Ivos Ausbleiben konnte einhundert Gründe haben. Vielleicht lungerte er mit ein paar Jungs herum, manchmal fanden die Mitglieder der Clique einfach nicht nach Hause. Möglicherweise war Ivo aber auch wieder auf einer seiner Expeditionen, seit Neustem interessierte er sich für Ornithologie, verbrachte viele Stunden am Strand und kam schon mal zu spät nach Hause. Eventuell suchte er Schutz vor dem Regen, beunruhigt, hungrig und sich selbst tadelnd, weil er mal wieder ohne Mobiltelefon unterwegs war.
    Als ein Streifenwagen vor dem Haus hielt, hatte sich Ivos Mutter ein bisschen gefasst und war in der Lage, den Beamten eine genaue Personenbeschreibung ihres Jungen zu geben. Sie händigte ein aktuelles Foto aus, gab Auskunft über Ivos Tagesablauf und überreichte der Polizei eine Liste mit sämtlichen Telefonnummern seiner Klassenkameraden.
    »Können Sie uns sonst irgendeinen Anhaltspunkt geben?«, fragte die junge Kommissarin. »Hat Ivo einen besten Freund, eine Freundin?«
    Seine Mutter schüttelte den Kopf. »Niemanden, der nicht auch auf dieser Liste steht.«
    Iska beobachtete ihre Tochter und wunderte sich, wie beherrscht sie auf die Befragung reagierte, während sie selbst von Minute zu Minute nervöser wurde und eine dunkle Vorahnung von ihr Besitz nahm.

Cuxhaven-Wernerwald
    Scheinwerfer. Wie zwei große strahlende Augen näherten sie sich durch die Nacht, hielten genau auf das Blockhaus zu und erhellten alles, was in ihren Radius geriet. Ivo konnte sein Glück kaum fassen. Erleichterung überwältigte ihn.
    Polizei. Endlich. Danke, Oma.
    Der Wagen hielt direkt vor dem Haus. Musik schallte herüber. Dumpf. Die Polizei war das nicht, die hört doch keine Musik im Auto, oder doch? Egal. Den Wagen fuhr ein Erwachsener, und das bedeutete Rettung. Ivo schlug mit der flachen Hand gegen die schmutzige Fensterscheibe.
    »Hey! Hallo!«
    Ein korpulenter Mann stieg aus und kam mit schwerfälligen Schritten auf die Blockhütte zu.
    Ronny Dallinger. Ivo erkannte ihn sofort, bewegte sich mühsam zur Tür und riss sie auf, bevor Ronny sie öffnen konnte.
    »Ich bin so froh, dass du da bist!« Ivos Stimme überschlug sich. Ronny war ein feiner Kerl, Sanitäter und aktiv in der Gemeinde.
    Sein Retter leuchtete ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht, blieb auf der Treppe im Regen stehen, starrte ihn an. »Was machst du denn hier?« Freundlich klang das nicht.
    »Ich bin gestürzt, draußen mit meinem Bike, es fährt nicht mehr! Hast du ein Handy dabei?«
    Ronny stand da wie versteinert.
    Ivo hielt sich eine Hand vor seine Augen, das Licht der Lampe blendete. »Du hast letztes Weihnachten zusammen mit meiner Oma den Basar vorbereitet.«
    »Verdammt noch mal, du kannst doch nicht einfach hier einbrechen!«, stieß Ronny jetzt hervor und raufte sich die glatt gekämmten Haare.
    Ivo zog die Augenbrauen zusammen.
    Ronny nahm die letzten beiden Stufen, übertrat die Türschwelle und beugte sich zu Ivo hinunter. »Hast du rumgeschnüffelt?«
    »Nein, wieso? Ich bin gestürzt, dann fuhr mein Bike nicht mehr. Da bin ich hier rein, der Regen, wie gesagt, ich …«
    Ronny legte die brennende Taschenlampe auf die versiffte Spüle und packte Ivo an seinem Pullover. »Du mieser kleiner Schnüffler.«
    Ivo starrte ihn verständnislos an.
    »Warst du unten?«
    Ivo schüttelte energisch den Kopf. »Unten? Wo? Nein, ich kann nicht laufen.«
    Ronny ließ ihn augenblicklich los, schien sich zu entspannen, lächelte sogar.
    »Meine Großmutter wartet auf mich. Sie macht sich sicher schreckliche Sorgen. Du kennst sie, Iska Bade.«
    »Und du warst nicht unten?«
    »Nein!«
    »Okay.« Ronny schob Ivo zur Tür.
    »Ich bin echt froh. Mir ist so kalt, und unheimlich ist es hier auch. Und da war so eine Musik, weißt du, dieses Kinderlied …«
    Ronny stoppte ruckartig, drehte den Stuhl um und sah Ivo in die Augen. »Also hast du doch herumgeschnüffelt!«
    »Nein, ich habe mich verletzt«. Ivo tippte sich an die Stirn. »Könntest du einen Krankenwagen rufen? Ich habe echt heftige Schmerzen.«
    Ronny schnellte vor, auf einmal hielt er ein Messer in der Hand. »Halt endlich dein vorlautes Maul! Scheiße, ich muss nachdenken!«
    Ivo war perplex. Nun bekam er wirklich Angst. Was wollte Ronny hier, nachts mitten im Wernerwald? Und warum machte er so ein Theater? Warum fuchtelte er mit einem Messer herum?
    Ohne Vorwarnung warf Ronny Ivo zu Boden, verschwand dann im

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