Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
kommen, wenn wir doch den Kristall haben?“ Finn zuckte die Schultern. „Vielleicht gibt es mehrere davon?“, schlug er vor.
„Aber der Graf hat doch gesagt, dass er zehn Jahre lang nicht reisen konnte“, warf Tom nachdenklich ein.
„Na, jetzt scheint er es jedenfalls wieder zu können.“
„Er sagte auch, er trifft uns bei den Wächtern“, sagte Tom.
„Das bedeutet also vermutlich wirklich, dass wir uns jetzt auf den Weg nach Hohenstadt machen müssen“, sagte Jacob. „Wir sind immerhin der ‚Wächter Sohn’, wie es in diesem Gedicht heißt.“
„Na, dann lasst uns gehen.“ Seufzend trank Tom seine Cola aus. „Ich wünschte nur, wir hätte nicht alle drei die gleichen Jacken. So werden uns Angelikas Eltern zu leicht erkennen können.“
Finn dachte einen Moment nach. „Ohne Jacke ist es zu kalt“, sagte er. „Aber können wir nicht die Pullover über die Jacken ziehen? Das sieht vielleicht ein bisschen doof aus, aber wir frieren nicht und sind vielleicht nicht auf einen Blick als Drillinge zu erkennen.“
„Gute Idee!“ Tom hatte bereits seinen Pullover ausgezogen. Zum Glück waren die Jacken recht weich und die Pullover ziemlich groß. Eigentlich sah man kaum, dass die Jungen die Jacken unter den Pullovern trugen.
„Gut!“ Finn nickte zufrieden. Gemeinsam verließen die die Wohnung und machten sich auf den Weg zur Bahnstation, wobei sie sich immer wieder vorsichtig umblickten. Es war nichts Verdächtiges zu sehen, kein Paar mit oder ohne blondgelockter Tochter und auch kein giftgrünes Auto. Trotzdem atmeten sie erst auf, als sie endlich in der Bahn saßen.
An der Haltestelle Sophienkirche stiegen sie aus und suchten den Bus mit der Nummer Siebzehn. Ihnen war ein wenig unwohl zumute, als sie bei derselben Bushaltestelle ausstiegen wie vor einigen Stunden, aber auch hier war kein auffälliges Auto zu sehen. Am Supermarkt liefen sie dieses Mal schnell vorbei, und kurze Zeit später standen sie wie vorhin vor dem Haus, welches früher einmal Jacobs Eltern gehört hatte.
„Na, das hat sich aber ganz schön verändert“, sagte Jacob und verzog das Gesicht. „Wollen wir?“
„Ich glaube eher, wir müssen“, seufzte Tom.
Gemeinsam betraten die Kinder das Grundstück.
„Was kann ich für euch tun?“ Die Dame, welche die Tür öffnete, mochte vielleicht zwischen fünfzig und sechzig Jahren alt sein. Mit ihrem schwarzen Rock, der weißen Bluse und dem sorgsam gekämmten, braunen Haar, in dem es einige erste, weiße Strähnen gab, machte sie einen sehr ordentlichen und beinahe ein wenig strengen Eindruck. Finn fühlte sich sofort an Fräulein Winter erinnert, obwohl Fräulein Winter doch bestimmt zwanzig Jahre jünger gewesen sein mochte.
„Wir… wir suchen jemanden“, hörte er Jacob neben sich sagen. Finn warf seinen Brüdern einen Blick zu. Sie hatten gar nicht darüber gesprochen, was sie erzählen sollten. Ihre ganze Aufmerksamkeit war darauf gerichtet gewesen, nicht etwa verfolgt zu werden, und jetzt standen sie hier, wohin – wahrscheinlich nur – der Hinweis auf dem Zettel in dem alten Kirchenbuch sie geführt hatte. Was sollten sie sagen? Wir suchen unsere Eltern? Dann würde die Dame bestimmt wissen wollen, wie ihre Eltern hießen. Und das wussten sie ja selber nicht. Sie hatten auch keine Idee, wie alt diese unbekannten Eltern sein mochten oder wie sie aussahen. Und vielleicht irrten sie sich, und Jacob war an einem ganz anderen Ort noch viel glücklicher gewesen? Plötzlich erschien Finn auch das möglich.
„Wir suchen ein Ehepaar“, hörte Finn seinen Bruder Tom neben sich erklären. „Leider wissen wir nichts Genaueres über dieses Paar, sie haben uns nur eine Nachricht hinterlassen, dass wir hierher kommen sollen.“
Finn atmete erleichtert aus. Ja die Erklärung war in Ordnung.
„Wir haben wenig Paare hier“, sagte die Dame nachdenklich. „Die meisten Leute ziehen hier erst ein, wenn ihr Partner gestorben ist.“ Als sie die verdutzten Gesichter der Kinder sah, lächelte sie. „Das hier ist ein Altersheim, Jungs, und ich bin die Leiterin. Habt ihr das Schild am Tor nicht gelesen?“
Finn schüttelte verwirrt den Kopf. „Tut uns leid“, sagte er. „Aber dieses Paar müsste auch wohl etwas jünger sein.“
„Und wie alt ungefähr?“, forschte die Frau, und bei ihrem durchdringenden Blick fühlte sich Finn wieder an Fräulein Winter erinnert. Noch bevor er sich eine Antwort ausdenken konnte, schaltete sich Jacob ein. „Ungefähr so alt wie
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