Finne dich selbst!
uns an. Ein Deutscher?
»Nur halb! Meine Mutter ist Finnin. Mein Vater ist Deutscher. Schmeckt euch das Bier?«
»Lecker«, sage ich.
»Dann danke! Ich bin Braumeister bei Teerenpeli.«
Aha, ein Fachmann also.
Der
Fachmann hier.
Er nickt. »Gelernt habe ich in Frankfurt. Bei Binding.«
Meine Mutter trinkt. Ich zeige auf ihr Glas.
Mathias grinst: »Hier gibt es kein Alster. Ich hab hier schon einige Sorten neu einführen können, aber Alster? Das krieg ich beim Finnen nicht durch!«
»Es war für mich auch nicht einfach, eines an der Theke gemischt zu kriegen«, sage ich.
»Das hat vor dir keiner geschafft. Du bist der Erste. Kompliment!«
Die Sonne sinkt langsam. Wir sehen den ersten von vielen unglaublich schönen Sonnenuntergängen.
»Wo lohte is ett denn?«, fragt Hermann. Wie spät ist es?
»Kurz vor elf.«
»Und immer noch so hell?«
Wir schauen über den Vesijärvi-See. Spiegelglatt liegt das Wasser. Die Sonne sinkt langsam dem Horizont entgegen. Links überragen die Skisprungschanzen die Stadt.
»So kann man es aushalten«, sagt Hermann.
»Vielleicht will die Jugend noch was trinken«, schlägt Ilse überraschend vor. Die Jugend nickt. Axel geht Bier holen.
Viivi zeigt auf die Gebäude, die den Hafen umstehen. Vor dem Hügel zur Stadt, dem Luna-Park, finden sich die ehemaligen Bahnhofsgebäude. Sie gehören zu den letzten historischen Bauten der Stadt. Sie sind zu Cafés umgebaut, auf dem ehemaligen Bahnsteig stehen nun Tische und Bänke. Davor verlaufen noch die Schienen. Es sieht fast aus wie in einer Puppenstube. Im Wasser liegen die Restaurantschiffe dicht an dicht. Die Finnen und Lahti wirken hier regelrecht mediterran, sehr italienisch bis spanisch. Menschen kommen und gehen. Motorradfahrer cruisen. Der Hafen pulsiert wie ein Bienenkorb.
Historische Fabrikgebäude recken noch stolz ihre Schornsteine empor. Daneben die Sibelius-Halle. Viivi erzählt uns, dass dort eine Tischlereifabrik war, nun umgebaut zu Rockclub und Sitzungssälen. Der neu angebaute Teil, die eigentliche Konzerthalle, ist imposante finnische Holzarchitektur. Das Haus ist berühmt für seine Akustik, berühmt für sein Orchester und Gastspiele. Wir sind baff.
»Hätte ich nicht gedacht, dass das hier so schön ist«, sagt Ilse.
»Und das hast du jeden Tag?«, frage ich neidisch.
»Nur im Sommer«, grinst Axel. »Wenn du hier lebst, dann nutzt du das gar nicht so sehr.« Dann ergänzt er: »Aber die Winter sind eben hart und kalt und beginnen früh, dauern dafür lange und sind dunkel.«
Ich schaue meine Eltern an. Sie scheinen etwas erschöpft von der langen Fahrt. Manchmal vergesse ich, dass die beiden im fortgeschrittenen Rentneralter sind. Ich sehe meinen Vater immer noch als den flinken Zimmermann, der elegant durch das Gebälk und über Gerüste klettert. Nun muss er beim Spazierengehen schon kleine Pausen einlegen. Jetzt, im Hafen von Lahti, in der untergehenden Sonne, scheinen beide regelrecht zu strahlen. Sie wirken irgendwie beruhigt. Es fällt einiges an Sorgen von ihnen ab. Ihr jüngster Sohn zog holterdiepolter nach Finnland. Das hat beide überrascht. Und besorgt gemacht. Und auch wenn Axel von seiner neuen Heimat erzählte, wenn er Bilder gezeigt hat, wenn sie telefonierten, sie wollten, sie mussten mit eigenen Augen sehen, wie »das Kind« jetzt lebt. Und Finnland zeigt sich von seiner besten Seite! Ein Wetter wie im Urlaubskatalog, ein See wie gemalt, ein Hafen wie von der Fototapete. Wir schlendern nach Hause.
»Dass du schon mitkommst«, wundert sich meine Mutter.
»Ich bin eben solide«, sage ich.
»Kommt ihr morgen Abend zum Essen zu uns?«, fragt Axel.
Natürlich sind unsere Eltern neugierig auf Axels und Viivis Wohnung. So einfach die zwei Stockwerke zu ihnen hochgehen wollten sie heute noch nicht. Man drängt sich schließlich nicht auf.
»Ist das ’ne Einladung?«, fragt Hermann.
»Viivi kocht!«, sagt Axel.
»Du nicht?«
»Einkauf und Abwasch kann ich besser.«
Die Eiffeltürme von Lahti
Dienstag. Heute beginnt unser touristisches Programm. Wir spazieren durch Lahtis Innenstadt. Axel und Viivi begleiten uns. Axel hatte gefragt: »Was interessiert euch denn?« Für Hermann gibt es nur einen Sehnsuchtsort, die Skisprungschanzen. Mit den Worten »Okay, dann fahren wir da hin« übernimmt Axel die Führung und ich wieder den Chauffeursposten.
Natürlich verbindet jeder mit Finnland die Erfolge der Skispringer, und Matti Nykänen und Janne Ahonen sind hier Volkshelden. Und
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