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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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ganzen Familie. Nur Viivi fehlt, die leider noch arbeiten muss. Langsam gehen wir zum Auto zurück. Am nächsten größeren See halten wir. Mittagspause.
    »Und wo sollen wir sitzen?«, fragt Hermann. »Hier ist ja nirgends ’ne Bank.«
    Ich hole die zwei Campingstühle für Ilse und Hermann aus dem Kofferraum und eine Decke für Axel und mich.
    »Wo sind die denn her?«
    »Gab es praktisch zu den Stöcken dazu.«
    »So ein Quatsch«, sagt Hermann, sitzt aber 20  Sekunden später brav auf seinem Klappstuhl am See. Wir essen Schnittchen und schweigen. Unfassbar: Wir schweigen und essen. Und ich habe die Schnitten geschmiert.
     
    Mittwochabend.
    »Beeilt euch mal.«
    »Was soll denn die Drängelei?«, fragt Hermann seinen jüngsten Sohn.
    »Wir müssen pünktlich da sein, sonst ist der ganze Spaß nur die Hälfte wert«, antwortet Axel.
    Punkt 18  Uhr soll dieser Spaß beginnen. Die ganze Familie ist auf den Beinen.
    »Nehmen wir den Wagen?«, frage ich.
    »Nee, wir laufen.«
    »Hi. Gu-ten A-bend«, sagt Viivi in geradezu perfektem Deutsch.
    Axel und Viivi haben einen kleinen Korb dabei.
    »Picknick?«, fragt Ilse. »So spät?«
    »Ist doch lange hell«, grinst Axel.
    »Ist es weit? Brauch ich ’ne Jacke?«, fragt Hermann.
    »Bi düssen Wetter ’ne Jacken? Kerl, datt is buten no genauso heit wie vommiddach.« Das ist draußen noch genauso heiß wie heute Mittag. Wir erleben schließlich einen finnischen Rekordsommer.
    Dann gehen wir los, wieder durch die Sportanlage zum Pikku Vesijärvi, dem kleinen »Vesijärvi«. Genau genommen eine Zwischengröße. Schon nicht mehr Teich, aber noch kein ganzer See. Direkt daneben, nur durch eine kleine Brücke getrennt, befindet sich ein zweites Wasserbecken. Das ist unser Ziel. Kleine Düsen ragen aus der Wasseroberfläche, in unterschiedlichen geometrischen Formen angeordnet, Quadrate, Kreise, Linien, Rechtecke. Es ist 17  Uhr  58 , als wir ankommen.
    »Grad noch pünktlich«, sagt Axel. »Aber klar, jetzt sind alle Bänke besetzt.«
    Dieser »
pikku
« Pikku Vesijärvi ist umstanden von Bänken, auf denen sich die vielen Menschen drängeln. Ein echter Auflauf. Irgendwas wird passieren. Eine angenehme Aufgeregtheit macht sich breit. Wir setzen uns ins Gras. Viivi packt den Picknickkorb aus. 18  Uhr. In diesem Moment knarzen Lautsprecher in den Bäumen rundum, die wir noch gar nicht bemerkt hatten. »Watt is datt denn?«, erschreckt sich unsere hörgeschädigte Mutter.
    Es rauscht und klingt: die Wasserorgel vom Pikku Vesijärvi. Durchrhythmisierte Wasserstrahlen steigen auf und senken sich im Takt. Ein Orchester hat eingesetzt, aber so was von furios! Erst leise Streicher, dann Flöten und dominant das Xylophon, dann Bläser. Der legendäre Säbeltanz von Aram Chatschaturjan. Nun sind wir bei der sanften Stelle mit den Streichern und Flöten, dann klingen wieder alle Saiten, es pauken die Pauken, und die Bläser blasen. Ich muss an die legendäre Gitarren-Version von Dave Edmunds denken. Sabre Dance, 1969 . Das fiel, obwohl eigentlich eine klassische Komposition, bei uns zu Hause vollkommen unter das Urteil »Hottentottenmusik«. Mein einziger Trost war, dass meine Eltern damals weder mit Rock noch mit Klassik etwas am Hut hatten.
    Die Melodie schallt aus den Bäumen, in denen das Laub die Lautsprecher verdeckt. Ich lausche beglückt, während sich vor uns die schönste Wasserchoreographie aus vielen hundert Düsen rauschend in den sommerlichen Himmel erhebt und in feinen Bögen senkt und kreiselt. Kleine Regenbögen schimmern durch die Fontänen. Neben uns bewundern drei Damen auf Finnisch das perlende Wasserspiel.
    Der zweite Titel läuft, ein Walzer. Die Düsen drücken ihre zwölf fächerförmig angeordneten Strahlen senkrecht, kippen seitlich ab, drehen sich und tanzen eine rauschende Choreographie im Aufsteigen und Zusammenfallen.
    »Das ist ja schön hier, mit der Musik«, sagt Ilse.
    »Könnte man zu tanzen«, sagt Hermann.
    »Das bringst du fertig. Nachmittags am Stock gehen und abends tanzen«, entgegnet Ilse.
    Wir naschen aus dem Picknick-Korb. Erbsen. Natürlich! Eine Kanne Kaffee. Dosenbier. Die beiden haben an alles gedacht. Das Wasser rauscht. Ungefähr hundert Düsen bilden einen geradezu majestätischen Außenkreis. Direkt vor uns sind einige Düsen regelrecht verzweifelt verstopft, nur drei der zwölf Strahler speien Wasser, alle anderen sind dicht. Zu. Verschlossen. Sie wirken wie die patzende Tänzerin im Ballettensemble. Jetzt, im plötzlichen

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