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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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Finnisch bestellen will, sage ich naiv: »
Kolme karhu
«. Sie lacht sich kaputt, weil ich nicht drei Bier, sondern drei Bären bestellt habe. Ab da gelte ich bei ihr als Komiker.
    Aino ist eine fröhliche, junge Frau aus Lappland. Sie ist 22 , seit dem Ende ihrer Ausbildung, seit zweieinhalb Jahren, im Tourismus beschäftigt. Natürlich hat sie die entsprechende Alkohol-Schulung, um ausschenken zu dürfen! Sie erklärt mir auch die finnischen Gesetze und die Bierklassen, und ich trinke Klasse III , mit 4 , 7  Prozent.
    Aino wechselt halbjährlich die Arbeitsstellen und damit auch gleich die Regionen. Die Winter über hat sie bisher in Lappland gearbeitet. Sie prustet fast vor Lachen, als sie von ihrem Job als Elfe »Tiptoe« berichtet, für englische Touristen und besonders in der Kinderanimation. Sie musste Geschichten erzählen, wie »Santa«, der Weihnachtsmann, sein Jahr und den Winter verbringt.
    »Und was macht Santa das ganze Jahr über?«
    »Er schläft viel. Und er schläft total gerne. Außerdem liest er viele Bücher.«
    »Erinnert mich an mich.«
    Aino lacht: »Und natürlich geht er Eisangeln. Und in die Sauna. Schließlich ist Santa ein Finne.«
    Im letzten Winter hat sie als Führerin von Schneemobil-Safaris und als Schneemobil-Fahrlehrerin gearbeitet. Ob sie dafür eine besondere Ausbildung gemacht habe?
    »Nein, das kann man, wenn man in Lappland aufgewachsen ist. Man braucht nur einen Führerschein.«
    »Einen Führerschein? Für Schneemobile?«
    Sie sieht mich bei meiner Nachfrage mindestens so erstaunt an wie ich sie. »Klar. Das sind motorisierte Fahrzeuge. Die sind rasend schnell. 90 bis 120  km/h können die schaffen!«
     
    Aino bekommt neue Kundschaft. Die Sonne berührt den Horizont und rinnt ins Wasser.
    »Wi goat trügge«, sagt Ilse schließlich. Wir gehen zurück.
    »Wir auch.« Axel und Viivi stehen auf.
    »Ick bliewe no en bierten sitten. Bät morgen.«
    Eine halbe Stunde und zwei Bier später setzt sich Aino zu mir. »Ich mache bald zu. Ich hab dir noch ein Bier mitgebracht.« Ich greife in die Tasche. Sie schüttelt den Kopf.
    »Hast du Pläne?«, frage ich sie.
    Nein. Nur bis zum nächsten Winter. Sie hat ein halbes Jahr in Budapest gelebt. Vielleicht will sie da noch mal hin. Finnland sei ihre Basis und von hier gehe sie in die Welt. »Es ist leicht, zurückzukommen. Zur Natur, der liebenswertesten Seite überhaupt von Finnland.« Einerseits zieht es sie weg, andererseits will sie bei den Wurzeln bleiben, der Sicherheit ihrer Familie und da, wo sie aufgewachsen ist. In Lappland. In den Wäldern hat sie Hasen gejagt und Vögel. »Wo das Handy keinen Empfang mehr hat und du die Stille teilen kannst mit jemandem. Und das totale Verstehen.« Das sei Heimat: ihre große Katze, der Hund, ihr Elternhaus, die Sauna, der Hof und der Schnee. Zusammensitzen, ganz nah am Feuer.
    Wie das war, in Lappland aufzuwachsen, frage ich.
    Sie stammt aus Salla, östlich von Rovaniemi. Sie war in einer sogenannten Zwergschule, mehrere Schuljahre zusammen in einem Klassenraum, die dritte bis sechste Klasse wurde gemeinsam unterrichtet. Die dritte Klasse, das waren Aino und zwei Jungen. Sie wohnte nicht in Salla direkt, sondern auf dem Land. Es waren 15  Kilometer bis zum nächsten Zentrum. Auch Nachbarn wohnten entfernt. Man lehnte in Lappland immer einen Besen an die Tür, wenn niemand zu Hause war. Das konnte man schon von weitem sehen, und niemand musste den ganzen Weg umsonst machen. »Die Türen sind aber immer offen gewesen. Inzwischen ist das anders, die Haustür ist mittlerweile verschlossen, aber«, sie lächelt, »die Hintertür ist meist auf.«
    Das sei für sie eine absolute Umstellung gewesen, als sie nach Lahti kam. Befremdlich regelrecht. Das Erste, was man ihr gesagt habe, war: »Schließ bloß dein Fahrrad ab!« So was war in Lappland nie nötig.
     
    Ich gehe nach Hause durch die helle Nacht. Mein Handy summt. Wieder eine SMS . Natürlich, Isabel: »Und, wie gefällt dir Finnland inzwischen?«
    Gute Frage, denke ich. »Kann man so gar nicht beantworten«, schreibe ich.
    »Aber du musst doch wissen, ob es dir gut oder nicht gut gefällt!«
    »Das Land ist toll!«
    »Und die Leute?«
    »Auch!«
    »Bernd. Deine Antworten werden immer kürzer!«
    »Bin nachdenklich. Alles gut.«
    Und ich denke an Konfusion, den großen ostwestfälischen Weisen. Der hatte gesagt: »Ziehe aus und finne dich selbst!«
    Aber das beantwortet die Frage nicht. Ich gehe am Wasser lang. Der Finne ist anders, das

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