Finne dich selbst!
einen Ausländer verlieren, das wollte keiner auf sich sitzen lassen. Ich aber auch nicht. Ich wollte unbedingt die erste Runde überstehen. Hat geklappt. Aber ich habe mir die Nase verbrannt. Letztes Jahr war ich wieder dabei. Aber da hatten sie schon ganz neue Saunen. Bessere. Die Siegerzeit war unter vier Minuten. Ich war zwei Minuten und elf Sekunden drin. Aber nur eine Runde.«
»Der Sieger kommt aus Lahti, oder?«, fragt Axel.
»Ja, Timo. Ich kenne ihn. Seine Siegerzeit in den neuen Saunen war drei Minuten und 46 Sekunden.«
»Und dieses Jahr?«
»Ich geh wieder hin. Diesmal sind wir sogar schon eine österreichische Mannschaft. Ein Tiroler hat Kontakt mit mir aufgenommen. Er hatte in den Ergebnislisten gesehen, dass ein Österreicher mitgemacht hätte. Im Internet hat er mich gefunden. Ich habe ihn eingeladen. Nach dem Wettbewerb fahren wir noch ins
mökki
.«
»Trainierst du?«
»Klar. Das hilft schon. Gerade in den Wochen davor mache ich viele Aufgüsse und versuche, lange drinzubleiben.«
Axel erzählt, dass er noch nie in einer öffentlichen Sauna gewesen sei. Auch noch nicht in der Haussauna hier in Lahti, immer nur in der am
mökki
von Viivis Eltern.
»Und wie findest du es?«, fragt Samuel.
»Klasse. Und danach in den See. Ich hätte keinen Bock auf so ein Kaltwasserbecken. Aber in den See, das ist super.«
»Wollt ihr nicht mitmachen?«
»Wie bitte?«
»Am ersten Augustwochenende ist wieder Sauna- WM .«
»Nee, lass mal. Das ist nix für uns.«
»Nur für den Spaß, zwei Brüder aus Deutschland. Wäre doch super.«
»Wir sind nicht qualifiziert«, rede ich mich raus.
»Ihr bekommt eine Wildcard von mir.«
»Wieso kannst du Karten vergeben?«
»Ich bin doch Graphiker, und der Typ, der die Sauna- WM organisiert, der ist ein Freund von mir. Ich habe für die das neue Logo entwickelt. Und da bekomme ich dann eine Wildcard für Freunde. Ich kann euch einladen, inklusive VIP -Zelt. Lecker essen hinterher.«
Axel und ich sehen uns an. Mist! Ich muss dann schon zurück sein!
»Ich kann wirklich nicht, ich muss arbeiten an dem Wochenende, in Deutschland.«
»Und ich bin mit Viivi bei Verwandten in Schweden.«
»Aber, wenn wir gekonnt hätten, Samuel, dann …«
Typisch für Finnen ist übrigens diese große Bescheidenheit. Jeder deutsche Graphiker hätte, sobald das Gespräch auf die Sauna- WM gekommen wäre, mindestens beiläufig fallenlassen, dass er das neue Logo für diesen Event entworfen habe. Hier erfährt man das höchstens nebenbei.
Ich habe dann Wochen später im Internet die Sauna- WM verfolgt und vom tragischen Tod eines Russen erfahren, der sich wohl nicht abermals gegen den fünfmaligen Gewinner Timo Kaukonen geschlagen geben wollte. Unvernunft und kranker Ehrgeiz ließen diesen Spaß tödlich enden. Eigentlich hatte ich nur Samuels Ergebnis im Netz nachlesen wollen. Samuel schrieb mir dann, er sei in der ersten Runde ausgeschieden, nach einer Minute und 56 Sekunden. Beim tödlichen Unfall waren er, Maija und die Kinder mit ihrem neuen Tiroler Freund und WM -Teilnehmer schon am
mökki
. Eine weitere Sauna- WM werde es wohl aufgrund des tragischen Unglücks nicht geben. Aber wie kann man auch so dumm sein, nicht rauszugehen, wenn es einem zu heiß wird … Jedes Kind lernt das schon. Wie schade um diese grandiose Idee.
Wie witzig der Finne wirklich ist, erkennt man am ehesten an den vielen anderen wunderbar bekloppten »Weltmeisterschaften«, die sie sich ausgedacht haben und die mittlerweile unter reger Anteilnahme der Weltpresse durchgeführt werden.
Je kleiner das Land, umso größer sind seine sportlichen Erfolge zu bewerten. Deutschland hat mehr als 82 Millionen Einwohner gegenüber den 5 , 3 Millionen Finnen. Das spricht eine deutliche Sprache. Kein Wunder, wenn die Finnen sich, angesichts dieser zahlenmäßigen Unterlegenheit, neben traditionellen Sportarten noch eigene Disziplinen ausdenken, in denen letztlich nur sie reüssieren können. Der Finne ist Weltmeister in Weltmeisterschaften. Alles das sind internationale Wettbewerbe, was aber nicht unbedingt heißt, dass die ganze Welt anreist, denn wohl nur bei Olympia schicken die Nationen auch chancenlose Teilnehmer. Trotzdem ist auch hier dabei sein alles. Es gibt die Weltmeisterschaft, wer am längsten in einem Ameisenhaufen sitzen kann, die Weltmeisterschaften im Frauen-Wetttragen oder die WM im Sumpffußball im Vuorisuo-Sumpf in Hyrynsalmi. Es gibt die Weltmeisterschaft im Handy-Weitwurf. Nicht
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