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Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen

Titel: Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Eilenberger
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selbst beginnt, das inhaltlich wahlweise von sportlichen Aufforderungen oder aber üblen Autoaggressionen geprägt ist - in der Regel allerdings von einer dynamischen Mischung aus beidem, wobei er sich Oberkörper und auch Nacken vornässt, gleichsam erste Fühlung aufnimmt. Der lauwarme Geher braucht das Gefühl, beobachtet zu werden, jedoch ist es für ihn in dieser Phase absolut entscheidend, Ruhe zu finden. Er muss sich konzentrieren, denn für ihn ist die Tat in erster Linie ein intellektuelles Problem. Erfährt er sich von bereits im Wasser befindlichen Springern angefeuert, verhöhnt oder gar bespritzt (eine Unart, die kalten Gehern nie in den Sinn kommt), kann es deshalb sein, dass er zum Umdreher wird - und ich habe nie erlebt, dass ein derart verärgerter lauwarmer Geher sich dann noch ein weiteres Mal umgedreht hätte oder gar zum Springer geworden wäre.
    Dem Wassereinstieg des lauwarmen Gehers sind weder Anmut noch Größe zu eigen. Meist vollzieht sich der Akt als ein von Wehklagen begleitetes Plumpsen, für das sich der lauwarme Geher zwar schämt, aber gut, wenigstens ist er jetzt drin. Er neigt dazu, stolz auf seine Leistung zu sein und will dafür in der Regel ausgiebig gelobt werden.
    Es ist im gegebenen Zusammenhang wohl kaum nötig zu erwähnen, dass meine finnische Frau die paradigmatische Verkörperung einer kalten Geherin ist und damit genau jenem Typus entspricht, den lauwarme Geher wie ich am meisten zu bewundern und zu verehren pflegen.

SCHWÄNE
    W ellen, die sich auf der schwarz schimmernden Oberfläche weit und weiter über den See ausbreiten und wieder zur Ruhe kommen. Wir schwimmen in kleinen Kreisen nahe dem Steg, meine Frau mit ruhigen, regelmäßigen Zügen voran. Auf einmal lässt der Klang schwingender Flügel die Abendluft zart vibrieren, ein sanftes Rufen ist zu vernehmen, und jetzt sehen wir sie: Tatsächlich, es sind Senni und Samuli!
    Den ganzen Sommer haben wir vergeblich nach ihnen Ausschau gehalten, und nun, ausgerechnet in der Nacht vor unserer Hochzeit, ziehen sie in einem gemächlichen Bogen direkt über unsere Köpfe hinweg. Seit sieben Jahren verbringen sie ihre Sommer an der Bucht beim Mökki. Als wir dem edlen Schwanenpaar folgen, fällt es schwer, in ihrem Erscheinen nicht ein besonderes Omen zu erkennen.
    Natürlich ist das Unsinn. Kaum etwas könnte diesen beiden Vögeln gleichgültiger sein als unsere Lebenspläne. Vermutlich hat Sven sie eine Furt weiter mit einem mordsmäßigen Bauchplatscher vom Steg so nachhaltig
traumatisiert, dass sie sich zum sofortigen Abflug entschlossen haben und nie wieder an diesen See zurückkehren werden. Oder möglicherweise wurden sie von Onkel Elmar, wie er es an heimischen Baggerseen zu tun pflegt, mit in Whiskey getunkten Brotkrumen gefüttert und wähnen nun den Herbst bereits nahen.
    Ich sehe die beiden im Geiste über Murmansk vor mir, wie sie sich ausgenüchtert und frierend schwerste Vorwürfe zuzischen, was einen tiefen Bruch in ihrer Beziehung bedeutet und schließlich zur Trennung führt.
     
    Ich bin krank. Einfach krank! Ich bin unfähig, noch das natürlichste Erlebnis von Erhabenheit einfach anzunehmen. Ich bin jemand, den es im Gegenteil sogar drängt, solche Ereignisse unmittelbar zu ironisieren, zu verfremden und in abwegige Kontexte zu stellen, nur so scheine ich sie ertragen zu können. Ich bin getrieben von einem permanenten psychischen Fluchtreflex, der mich nicht zur Ruhe zu kommen lässt. Einen Menschen wie mich würde ich nicht heiraten, niemals, so viel steht fest.
    Aber die finnische Frau neben mir scheint das anders zu sehen und zu empfinden. Jetzt greift sie durch den See nach meiner Hand und summt eine kleine Melodie über das Wasser: »Ta tat tata, ta ta tata, treulich geführt, ziehet dahin . Weißt du noch, mein Mann?«
    Lohengrin , ja, ich weiß es noch.
     
    Wir liegen wach, schon die ganze Nacht, wie krank von der Gewissheit, für Monate voneinander lassen zu müssen. Und wer weiß, was wir bis dahin wollen werden.
Wäre doch viel einfacher, es bei diesem Sommer zu belassen, bequemer vor allem, weitergehen, jeder zurück in seine Welt. Kein Schwur kann diesen Zweifel stillen. Wir folgen dem blauen Zittern der Geigen, höher und immer höher dringt es aus den Lautsprechern der Stereoanlage. Uns ist schwindelig von dem Gedanken, was es bedeuten könnte, den Sinn, den das eigene Leben ergeben soll, an das des anderen zu knüpfen. Jetzt tönen die Fanfaren, wir drücken uns aneinander, lauschen

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