Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen
seiner rettenden Ankunft: In fernem Land, unnahbar euren Schritten …
Lohengrin und sein Schwan. Keinen Gedanken haben wir in dieser Heidelberger Herbstnacht vor sieben Jahren daran verschwendet, was seine Warnung mit uns beiden zu tun haben könnte. Dabei sagt es der edle Ritter doch in aller Klarheit, nimmt seiner geliebten Elsa gleich beim ersten Treffen den Schwur ab: Nie sollst du mich befragen, noch Wissens Sorge tragen, woher ich kam der Fahrt, noch wie mein Nam’ und Art.
Und Elsa schwört es. Nie werde sie nachforschen, sondern ihn einfach so lieben und ehren, ohne Fragen nach seiner Herkunft, nach dem Land, aus dem er stammt, einem Land, von dem sie nichts weiß, das sie noch nie besucht hat, genauso wenig wie Lohengrin etwa von Elsas Welt weiß. Doch kurz bevor die beiden vor den Traualtar treten, hält sie es einfach nicht mehr aus, bricht den Schwur, will es ganz genau wissen, woher ihr Liebster kam, woran die Liebe schließlich zerbricht. Lohengrin kehrt auf einem Schwan in seine Heimat zurück.
Im Kern handelt Richard Wagners Oper von interkulturellen Ehen samt gängiger Sorgerechtsstreitigkeiten (Wo hat Elsa den Bub versteckt?), auch wenn ich nicht glaube, dass der Künstler das damals selbst schon so klar gesehen hat.
Ich muss das Land mitheiraten, sonst geht es nicht.
»Es ist wirklich nicht kalt«, sage ich zu meiner finnischen Frau. Was stimmt. Wenn man erst einmal eine Weile drin ist.
JUMALA - GOTT
GEWISSEN
D ie Holzkirche von Joutsa hat fünfhundert Sitzplätze und befindet sich auf einem kleinen grünen Hügel, nur wenige hundert Meter südlich des eigentlichen Ortskerns. Erbaut zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist sie, wie es in Mittelfinnland üblich ist, bis heute das mit Abstand größte Gebäude der Gemeinde. Die vom separaten Glockenturm aus vollständig zu übersehende Ladenzeile der Hauptstraße besteht aus einer Bank samt Geldautomat, einer Bibliothek, einer Bushaltestelle, zwei gut sortierten Supermärkten, einem Sportgeschäft mit Schwerpunkt Angelbedarf, einem Schreibwarenladen, einer Apotheke, einem Blumenladen, einem Friseursalon sowie am östlichen Ende natürlich dem kioski , auf dessen überdachten Holzbänken die zahlreichen Junggesellen des Dorfes bereits am frühen Morgen in Trainingsanzügen an ihrem Leichtbier nippen und den Tag damit zubringen, die neuesten Wettquoten für die Trabrennen in Tampere zu erörtern.
Schwer zu sagen, was sie denken, als wir mit Ukkis finnlandblauem Fiat 500 um die Ecke tuckern, unsere Köpfe wie neugierige Hunde weit aus den Seitenfenstern
gestreckt. Anders ist es nicht zu ertragen. Anstatt durch den Auspuff zu entweichen, werden die Abgase durch die Belüftungsritzen direkt ins Wageninnere geleitet - und das, obwohl Ukki den gesamten vorherigen Tag mit Reparaturarbeiten zugebracht hat.
Die Oberkörper im Nieselregen haben meine finnische Frau und ich uns also die fünfundzwanzig Kilometer vom Mökki bis ins Dorf gekämpft und nehmen nun die letzte Steigung hinauf zur Kirche in Angriff. Solch eine Fahrweise mag gefährlich klingen, ist in Wahrheit aber kein Problem, da man die makellos asphaltierten Bundesstraßen des Landesinneren meist ganz für sich allein hat. Es liegt an der Demografie. Wer in dieser Gegend Finnlands wohnt, ist zum Autofahren entweder zu alt oder zu jung. Ab und an ein flotter Volvo 760 Kombi mit deutschem Kennzeichen, vereinzelte Wohnmobile mit Elchaufklebern, gewiss, ansonsten aber ist das karge Straßenbild von unscheinbaren Kleinwagen Baujahr 1980 und älter bestimmt. Rote Ladas zumeist, Golfs oder Mazdas der ersten Generation.
Es ist durchaus keine Frage fehlender finanzieller Mittel. O nein! Gerade die alteingesessenen Familien des Dorfes besitzen Forstgebiete von der Größe des Saarlandes. Vielmehr ist das Konzept des Autos als Statussymbol dem Mittelfinnen wesensfremd. Wer es nötig habe, sich ein neues Auto zu kaufen, räsoniert der Einheimische, sei offenbar nicht in der Lage, sein altes ordentlich instandzuhalten, und somit eine Person mit unstetem Lebenswandel und schweren handwerklichen Defiziten - mithin ein schlechter Mensch.
Diese ohne Zweifel protestantisch fundierte Abneigung gegen verschwenderischen Tand und Großtuerei vermag auch die ausgeprägte Motorsportbegeisterung der Finnen und ihre lange Weltmeistertradition zu erklären, sei es im Bereich der Formel 1 (von Rosberg über Häkkinen bis Räikkönen) oder der Rallye (Vatanen, Kankkunen, Mäkinen, Grönholm). Bereits als Kinder
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