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Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen

Titel: Finnen von Sinnen - Finnen von Sinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Eilenberger
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lernen. Vor allem aber dürfe man nicht den Fehler begehen, diese Verschlossenheit mit »antisozialem Verhalten« zu verwechseln, es gehe eher um sozial beschädigte Existenzen, die sich nichts sehnlicher wünschten, als sich einander auf ihre Weise mitzuteilen, weshalb es bei der finnischen Technik auch nicht darum gehe, den Schmerz zu betäuben, sondern - Franz überlegt eine Weile - ihn miteinander zu teilen.
    »Wir kommen sozusagen von der anderen Seite«, sagt Franz.
    »Von hinter dem Rücken Gottes«, ergänze ich.
    » Juu, juu« , bestätigt Franz, und atmet bei jedem » Juu « tief ein, als ob er furchtbar frieren würde.
     
    Das ist seine Paradenummer. Ich habe sie jetzt schon drei Mal in verschiedenen Bars erlebt. So hat er Corinna rumgekriegt. Kein Zweifel.
    Meine Frau spricht am Mobiltelefon und wippt dabei in der morschen Hollywoodschaukel, die Ukki vor dreißig Jahren aus dem Sperrmüll gerettet hat.
    » Niin, niin, niin, Ainon kanssa, niin, niin, niiin, no moi sitten «, höre ich sie flüstern.

    »Franz ist bei Aino«, erklärt sie schließlich und klappt das Handy zu. »Hat den mit in ihres Mökki genommen. Emppu hat es gesehen.«
    »Aber hör mal, Aino ist jetzt wie alt?«
    »Zweiundfünfzig, glaube ich«, antwortet meine Frau, zuckt bedeutungsvoll mit ihren breiten Schultern und wippt munter weiter.
    Und dazu ist sie noch mit einem deutschen Bauingenieur aus Bamberg verheiratet. Aber der wollte diesmal nicht mit.
    Sie sind auch sehr pragmatisch, die Finninnen, hatte ich das schon erwähnt? Besonders im Sommer.

SORMUS - DER RING

KOPF HOCH
    J etzt kömm schon«, fordert meine finnische Frau, »ist doch gar nicht so schlimm.«
    »Bitte nicht.«
    »Kömm jetzt, Kuckelmann! Ich habe es nämlich nicht vor, morgen einen Arsch von mich selbst zu machen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Also. Ein bisschen flexibel musst du schon sein!«
    »Süße, ich bin flexibel, schließlich heiraten wir ja morgen hier!«
    »Brauchst du nicht gleich zu rufen.«
    Ich rufe nicht, außerdem heißt das brüllen. Ich bin nur ein wenig lauter geworden. Das Thema Hochzeitstanz strengt mich nämlich an. Und mir mangelnde Flexibilität vorzuwerfen, ist nun wirklich das Allerletzte.
    Klar, auch ich habe nicht vor, morgen einen Arsch von mich selbst zu machen. Aber es ist nun einmal so: Meine finnische Frau ist zwanzig Zentimeter größer als ich. Da sieht so ein Paartanz einfach nicht aus, und mögen wir uns noch so geschmeidig winden. Das sage ich meiner Frau auch, obwohl sie das natürlich selbst weiß.

    »Ach, das ist doch ganz egal, ist doch nur ein finnisches Tango.«
    »Aber wenn es egal ist, weshalb müssen wir dann üben, und auch noch nackt, direkt nach der Sauna, mitten in der Nacht?«
    »Kömm. Nur ein Mal. Wir tauschen einfach das Rollen, dann geht es ganz gut!«
     
    Rollen tauschen, so möchte es gehen mit uns beiden. Na gut. Dem Land zuliebe.
    Ohne ihren Tango wären die Finnen längst ausgestorben. Bei näherer Betrachtung dient der Tanz nämlich keinem anderen Zweck, als dem finnischen Mann den Weg in das aktive Geschlechtsleben zu bahnen. So darf in den geräumigen Holzpalästen an den endlos geraden Landstraßen der Provinz kein männliches Wesen, das noch gerade gehen kann, von der Erwählten abgewiesen werden. Tanzen muss der Finne auch nicht können, denn im Gegensatz zur argentinischen Mutterform verzichtet der finnische Tango auf komplexe Theatralik und aufwändige Synchronschritte, genauso wie ihm die heitere Geschlecktheit deutscher Tanzschulen fremd bleibt. Die Anmutung eines finnischen Tangoabends ist so unprätentiös und alltagsnah, dass sie fast schon bäuerlich wirkt.
    Seine besondere Würde gewinnt das Ereignis allein aus der Ernsthaftigkeit des Zugangs. Auf der Empore spielt eine streng gekämmte Kapelle aus Schlagzeug, Gitarre und Akkordeon - dem eigentlichen Leidensinstrument. Mit einem kurzen, zackigen Nicken, als habe er sich das Genick gebrochen, bittet der Kavalier
die Mohnblumendame zum Tanz. Und schon kreisen sie, Hand an der Hüfte, in einer denkbar simplen Folge von zwei Lang- und drei Kurzschritten gestenfrei über den Bretterboden. Wilde Schrittvariationen sind ebenso verpönt wie potenziell intimitätsstiftende Griffabweichungen. Yksi, kaksi, ykskakskol ykskakskol ykskakskol , so geht es dahin, eine ganz lange Sommernacht hindurch.
    Läuft es besonders rund, erzählt meine Frau, darf es bei leicht festerem Zugriff auch mal ein rasanter Zwischenschritt samt gehauchtem Kompliment sein:

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