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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Itäväylä und dann die Sörnäisten rantatie entlang. Ratamo erwärmte sich mit Erinnerungen an seinen letzten Sommerurlaub und an die fünfunddreißig Grad Hitze am Comer See. Ihm fiel der Opa ein, der auf einer Terrasse bei der Hitze im Pullover vor sich hin gedöst hatte. Was würde er wohl von diesem Frost halten?
    Die jazzigen Tangotöne von M. A. Numminen bewirkten, dass sich Ratamo entspannte und klarer denken konnte. Als er von der Unioninkatu zum Eteläranta abbog, stellte er fest, dass fast in jedem Fenster zu Ehren des Unabhängigkeitstages eine Kerze brannte, auch in den Büroräumen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er heute nicht eine einzige Minute mit Nelli zusammen verbracht hatte. Im letzten Jahr waren sie immerhin gemeinsam unterwegs gewesen und hatten den Fackelzug der Studenten fast auf dem ganzen Weg von der Kapelle in Hietaniemi bis zum Senatsplatz begleitet. Er bemühte sich, nicht an Nellis Laborergebnisse zu denken, nahm sich aber vor, sie am nächsten Tag auf alle Fälle in Erfahrung zu bringen.
    Am Anfang der Tehtaankatu beschäftigte ihn wieder Eevas Geschichte. War Adil al-Moteiri tatsächlich für all das verantwortlich, was ihr in den letzten Tagen geschehen war? Wohl kaum. Gegen al-Moteiri lagen keinerlei Beweise vor. Aber jetzt glaubte Ratamo, dass Eeva jedenfalls nicht die Gehilfin von Turan Zana gewesen war. Sie hätte sich nie an der Ermordung eines Menschen beteiligt, um kiloweise Amphetamin zu bekommen. Eeva hatte sich ja auch früher nur die Einnahme von Speed und den Besitz von ein paar Gramm zuschulden kommen lassen. Niemand verwandeltesich im Handumdrehen aus einer werktätigen alleinerziehenden Mutter in eine Gehilfin von Drogendealern und Mördern.
    Der hohe Schnee machte das Einparken schwierig. Ratamo dachte wieder an Ilona, als er den Käfer auf dem engen Innenhof mühsam in eine schmale Lücke fuhr; bald würde der Zeitpunkt kommen, sich zu entscheiden, was er von dieser Beziehung erwartete. Ilona redete in der letzten Zeit immer öfter andeutungsweise vom Zusammenziehen und sprach mit besonders viel Wärme von Kleinkindern.
    Ratamo schüttelte sich unten im Treppenhaus den Schnee von den Sachen, stieg in die erste Etage hinauf, öffnete seine Wohnungstür und freute sich, als er auf dem Fensterbrett eine Kerze brennen sah. Es roch nach Glühwein, Marketta und Ketonen schauten sich in der Nachrichtensendung die Zusammenfassung der Feier im Präsidentenschloss an, und Nelli tobte auf dem Teppich im Wohnzimmer mit Musti herum. Für einen Augenblick kam sich Ratamo wie ein ganz normaler Familienvater vor.
    »Wie geht es denn unserer jungen Dame?« Es sollte sich möglichst unbekümmert anhören.
    »Ganz gut. Ich habe auch heute kein Fieber gehabt, ich glaub, jetzt habe ich keine Lust mehr zu messen.«
    Ratamo wurde etwas leichter ums Herz, aber die gemütliche Stimmung war sofort dahin, als ihm Eevas Tochter einfiel. Wie würde sich Kirsi wohl heute Abend fühlen, seit sie wusste, dass ihre Mutter verhaftet war?
    »Na, Mensch, was hat denn der Knabe für einen Anzug an«, sagte Ketonen und starrte verdutzt auf einen glatzköpfigen Mann mit Lederfrack und Reithosen, der auf dem Parkett des Präsidentenschlosses im Kreuzfeuer der Blicke aller Festgäste mit einer um die Hälfte größeren und jüngeren Blondine tanzte.
    »Wer ist das?«, fragte Ratamo.
    »Irgendein Tänzer des Nationalballetts.« Marketta schien ganz hingerissen zu sein.
    Ketonen warf Ratamo einen Blick zu und grinste. »Man darf ja auch anders sein als die anderen. Nur ein toter Fisch schwimmt mit dem Strom«, sagte er, ganz der Meinung seiner Frau angepasst.
    Nachdem sich Ratamo umgezogen hatte und nun ein T-Shirt mit der Aufschrift »Zu faul, um manisch zu sein« trug, holte er sich aus der Küche einen Becher Glühwein und etwas Weihnachtsgebäck und wollte sich gerade neben Nelli auf den Teppich setzen, als er bemerkte, dass Ketonen an der Tür des Gästezimmers winkte.
    »Was gibt es Neues bei den Ermittlungen?« Der Ex-Chef der SUPO dehnte ungeduldig seine Hosenträger.
    Ratamo, der gerade kaute, antwortete nicht. Er betrachtete das Motto »YCCSSOYA« auf Ketonens Krawattennadel und erinnerte sich, dass die Abkürzung aus dem Englischen kam und so viel bedeutete wie: »Du kannst keine Spione fangen, wenn du mit deinem Arsch auf der Bank hockst.« Das war der Humor der Leute von der Gegenspionage.
    Ketonen hatte es satt, vergeblich auf eine Antwort zu warten. »Ich habe weitere Informationen

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