Finnischer Tango - Roman
zaubern. »Nach Finnland können wir ja nötigenfalls noch heute Abend einen neuen Mann schicken. Irgendetwas musste nun wirklich passieren, und es werden auch sicher noch weitere Schwierigkeiten auftauchen. Immerhin geht es ja hier um den europäischen Heroinmarkt, der erobert wird.«
Die Antwort beruhigte Arbamow. »Der ganze Plan beruht auf dem Timing, das Tempo muss enorm sein. Alle Zielländer werden gleichzeitig mit billigem Heroin gesättigt, und wenn es genug Kunden gibt, wird der Preis hochgeschraubt, ein halbes … ein Jahr lang wird Gold abgeschöpft, und danach hören wir auf, bevor uns jemand auf die Spur kommen kann, und dann …« Um ein Haar hätte Arbamow etwas ausgeplaudert, was Renata nicht zu hören brauchte.
»Der Plan wird schon funktionieren.« Renata stand auf. »Wen soll ich nach Finnland schicken?«
»Jemand, der absolut zuverlässig ist.« Arbamow dachte angestrengt nach, erhob sich und ging im Zimmer auf und ab, um sich aufzuwärmen. Die Kälte kroch in den Palast, obwohl im Kamin ein Feuer brannte und die Wände der Bibliothek unten mit Holzpaneelen und oben mit Seidentapeten bedeckt waren. Beim Nachdenken bildeten sich Falten auf seiner Stirn, aber sie verschwanden, als ihm etwas einfiel. »German Dworkin. Schick ihn nach Finnland«, befahl der Oligarch, und Renata verließ den Raum.
Der Name Dworkin weckte in Arbamow unangenehme Erinnerungen an die zweiundsechzig Tage, in denen Putin ihn mürbe gemacht hatte. »Sledstwenny Isoljator No. 1«, murmelte er. »Kresty.« Wegen der beiden in Form eines Kreuzes errichteten Hauptgebäude wurde Russlands berüchtigtstesGefängnis »Die Kreuze« genannt. Er und German Dworkin hatten zwei Monate lang im größten Untersuchungsgefängnis der Welt unter zehntausend wie Vieh gehaltenen Häftlingen geschmachtet. Vor Arbamow tauchten Bilder der Zelle Nummer 77 und Gerüche auf: Zehn halbnackte Männer in einer Zelle von acht Quadratmetern, ein einziger Aborteimer, der mit Urin und Läusen bedeckte Fußboden, zum Trocknen aufgehängte Wäsche, der Spion an der Tür, ein vergittertes Fenster, die senfgelben Stahltüren, die stickige Luft, der an Tuberkulose leidende Zellengefährte, auf der benachbarten Pritsche ein Mörder, der gierig grinste …
German Dworkin hatte ihn damals zuverlässig beschützt, obwohl viele bereit gewesen waren, ein Vermögen dafür zu zahlen, dass sie ihm an die Kehle gehen konnten.
Ins Kresty würde Wassili Arbamow nie zurückkehren.
8
Eeva Hallamaa schwang sich vor dem Hauptquartier der SUPO auf den Rücksitz eines nach Bratfett riechenden Taxis und knallte die Tür zu. »Korkeavuorenkatu 1. Und mach das Radio aus«, sagte sie ungehalten.
Der Tango, ein Evergreen, der schon Grünspan angesetzt hatte, brach ab, als der etwa zwanzigjährige Fahrer die Lautstärke regulierte. Er stopfte sich den Rest seiner Grillportion in den Mund, warf die Fast-food-Verpackung auf den Beifahrersitz und drehte sich zu seinem Fahrgast um. Doch als er die vor Zorn funkelnden Augen seiner Kundin sah, schluckte er sein Essen und auch seine Antwort hinunter. Dann tippte er etwas in seine Multifunktionsanzeige ein und suchte lustlos ein paar Seiten im Stadtplan durch. »Wo soll ich denn langfahrn?« fragte der Mann freundlich.
Ein Blick in seine gutmütigen Augen überzeugte Eeva davon,dass er keine Witze machte. »Die Korkeavuorenkatu ist einen halben Kilometer entfernt. In die Richtung«, erwiderte sie und zeigte es mit der Hand. Unglaublich, dass der Kerl die Adresse nicht kannte.
»Warum gehste denn das Stück nicht zu Fuß?«, erkundigte sich der Fahrer in seinem karelischen Dialekt gutgelaunt und versuchte mit dem Finger ein Stück Kebabfleisch herauszuziehen, das zwischen den Backenzähnen steckte.
Nun war es mit Eevas Selbstbeherrschung vorbei. »Mann, ich hab’s eilig, sieh zu, dass dein Taxi endlich losfährt!« Sie wollte Kirsi bei Ratamo abholen und sich dann zu Hause von den Schrecken dieses Tages erholen. Und das Verlangen nach Drogen loswerden. Mit jeder Faser sehnte sie sich nach chemisch erzeugtem Selbstvertrauen, nach Befreiung von den entsetzlichen Erlebnissen des Tages, nach euphorischem Wohlgefühl … Warum musste all das gerade heute passieren? Eeva beschloss zu versuchen, für den nächsten Tag einen Termin bei ihrer Psychotherapeutin zu vereinbaren, obwohl es ein Sonntag war, aber das interessierte sie jetzt nicht.
Der Taxifahrer gab Gas, und plötzlich wurde Eeva klar, dass sie Mikko endlich anrufen könnte. Die
Weitere Kostenlose Bücher