Finnischer Tango - Roman
Mathematikstudenten der Welt zur Elite gehört. Damals war sie auch bis über beide Ohren in Adil verliebt gewesen. Die zwei scharfsinnigsten Talente am MIT im Studienjahr 2000/2001: Eeva Hallamaa und Adil al-Moteiri. Jetzt stellte sich die Lage ganz anders dar: Adil war dreifacher Doktor und ehemaliger Wissenschaftsminister des Irak und sie Lehrbeauftragte, alleinerziehende Mutter und Ex-Drogenabhängige.
Eine Welle des Selbstmitleids überrollte sie mit großer Wucht. Eeva wusste, dass sie in einem solchen Augenblick mit hundertprozentiger Sicherheit zu einem Tütchen mit Speed greifen würde, wenn die Droge erreichbar wäre. Tränentropften auf ihre Bluse, wurden aufgesogen und bildeten kleine Flecken. Sie war kein Genie wie Adil, sie besaß nur die Begabung, Zahlen zu sehen, und ein Gehirn, das die Rechenoperationen wie von selbst ausführte. Adil hingegen war zu allem fähig. Manchmal fürchtete sie, dass sie ihn gerade deswegen verlassen hatte – aus Neid. Eeva packte wieder die Wut auf sich selbst. Dabei hatte sie mit der Trennung von Adil mehr Reife bewiesen als je zuvor. Der Mann war ein Schatz und gutmütig, lebte aber mit keiner einzigen Zelle in dieser Welt. Sie hingegen war ein normaler Mensch und brauchte einen ebensolchen Partner, so einen wie Mikko. Das Klingeln ihres Handys unterbrach ihre Gedankengänge.
»Unbekannte Nummer«, las sie auf dem Display und ahnte Schlimmes. Am liebsten hätte sie auf die Taste mit dem roten Hörer gedrückt, aber sie wollte wissen, ob …
»Hier ist der Türke«, sagte Turan Zana in Englisch. »Es tut mir leid, dass Sie heute Schweres durchmachen mussten, aber ich fürchte, dies war erst der Anfang. Sie …«
»Warum gerade ich? Warum musste der Russe hier bei mir zu Hause umgebracht werden? Warum …«
»Die Polizei hat Ihnen also nicht die Wahrheit gesagt. Kirilow wurde nicht bei Ihnen zu Hause getötet. Die Polizei hat den Mann zusammengeschlagen und erschossen in Hernesaari gefunden«, entgegnete Zana ganz ruhig und wartete einen Augenblick vergeblich auf Eevas Fragen. »Die Polizei wird Ihnen Drogenbesitz und vielleicht auch den Mord an Kirilow zur Last legen.«
Eevas Gehirn arbeitete auf Hochtouren, aber es kam nichts dabei heraus. … zur Last legen … Drogenbesitz … Mord … Die Worte des Türken klangen ihr in den Ohren.
»Wir wissen beide genau, dass Sie Ihre Tochter verlieren, wenn Sie wieder wegen Drogenbesitzes verurteilt werden. Ich kann dafür sorgen, dass Sie entweder als schuldig oderals unschuldig gelten. Aber ich verspreche, Ihnen zu helfen, wenn Sie mir helfen«, sagte Zana.
»Ich Ihnen helfen. Und wie? Was zum Teufel … Ich erzähle das alles der Polizei«, entgegnete Eeva in barschem Ton.
»Das bringt nun wirklich nichts. Wenn Sie nicht zur Zusammenarbeit bereit sind, wird … etwas passieren. Dann erwartet Sie schon bald eine zweite Überraschung, eine sehr viel schlimmere als die erste. Danach werden Sie garantiert das tun, was ich verlange oder …«
»Warum tun Sie das? Die Wahrheit wird doch herauskommen …« Eeva versagte die Stimme, und sie brach das Gespräch ab.
Die Panik bewirkte, dass Eeva innerlich und äußerlich erstarrte. Am liebsten hätte sie sofort die Polizei angerufen, aber die Warnung des Türken klang ihr noch in den Ohren. Die Polizisten hatten ihr tagsüber nicht geglaubt, warum sollten sie ihr jetzt vertrauen. Vielleicht würde wenigstens Ratamo ihr glauben, oder sollte sie doch erst auf Mikko warten?
Die Tür ging auf, und Mikko Reiman trat herein, als könnte er die Gedanken seiner Lebensgefährtin lesen. Schneeflocken glitzerten auf seinem blonden Haar. Eeva rannte zu Mikko hin, warf sich ihm in die Arme, drückte ihn ganz fest und spürte, wie alles Schlimme von ihr abfiel.
»Ist etwas passiert?«, fragte Mikko schließlich und las die Antwort auf Eevas Gesicht ab. Er legte seine Fotoausrüstung rasch in eine Ecke, streifte den Mantel ab und nahm Eevas Gesicht in seine Hände. »Erzähle, was ist geschehen?«
Eeva zog Mikko am Pulloverärmel zum Sofa, holte ein Glas Wein für ihn und begann ganz ruhig zu berichten. Sie erzählte ihm auch von ihrem Verlangen nach Drogen, und Mikko erfuhr, dass die Polizisten ihr nicht geglaubt hatten.
Verblüffung und Angst wechselten sich in Mikko Reimans Gesichtsausdruck. Es dauerte lange, bis er von demGehörten so viel verdaut hatte, dass er den Mund aufmachen konnte.
»Du hast doch nicht etwa Dummheiten gemacht. Wir haben eine Abmachung. Wir leben zusammen
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