Finnischer Tango - Roman
musst essen, mein Schatz, du bist doch wochenlang krank gewesen. Zum Glück ist das jetzt vorbei, dieses ständige Fieber. Anscheinend war es doch nur eine ganz gewöhnliche Grippe.«
Ratamos Gesichtsausdruck wurde ernst. »Hoffen wir es. Die Laborergebnisse bekomme ich vielleicht schon morgen.«
»Du hast anscheinend auf der Arbeit viel zu tun, Arto. Wieder mal.« Marketta hörte sich schon fast freundlich an.
Ratamo sah die Gelegenheit gekommen, seine Verspätung zu erklären. »Es laufen Ermittlungen im Zusammenhang mit Drogen. Alles furchtbar stressig.«
»Kein Wunder, dass der Drogenhandel blüht«, sagte Ketonen. »Weltweit gibt es zehn Millionen Heroinsüchtige, und alle sind bereit, für die nächste Spritze jeden beliebigenPreis zu zahlen. Und es finden sich auch genug Drogendealer, die selbst das Risiko eines Todesurteils in Kauf nehmen, um Geld zu machen. Bei uns werden sie allerdings nur ins Gefängnis gesteckt, und für Leute, die in etwas kargeren Ländern aufgewachsen sind, ist ein finnisches Gefängnis fast ein Witz. In Russland gibt es sogar Hotels, die schlechter sind.«
»Jussi, du wirst doch nicht etwa die Drogenhändler verteidigen?«, entgegnete Marketta aufgebracht.
Ketonen bemerkte, dass er in gefährliche Gewässer abgetrieben war. »Natürlich nicht. Ich habe nur Fakten genannt.«
Ratamo eilte Ketonen zu Hilfe. »Heroin ist das größte Exportprodukt auf der Welt, es wird im Jahr für Hunderte Milliarden Dollar gehandelt.«
Das Gespräch über Drogen versickerte erst, als Marketta das Hauptgericht brachte. Schon bald war von der vegetarischen Lasagne nichts mehr übrig. Die Unterhaltung drehte sich um alltägliche Dinge, auch noch beim Pfefferminzeis und Kaffee. Der Calvados sorgte dafür, dass Ratamos Appetit auf Kautabak immer stärker wurde, aber er beherrschte sich, weil sowohl Ilona als auch Marketta gern über die schädliche Wirkung von Nikotin predigten.
»Musti geht es gut«, sagte Ketonen sentimental, als die alte Hundedame ihre Pfoten auf seinen Oberschenkel legte und ihn mit ihrem eindringlichsten Bettelblick anschaute.
»Du, also, allmählich sieht man ihr das Alter aber schon an. Sie ist ein alter Hund«, erwiderte Ratamo.
»Musti hinkt manchmal mit der linken Hinterpfote«, sagte Nelli, es klang besorgt.
»Ach, was heißt alt. Ich habe gerade in der Zeitung gelesen, dass ein sechzehn Jahre alter Labrador in den USA mit dem Ehrentitel ›Hundeheld des Jahres‹ ausgezeichnet wurde. Er hat das drei Wochen alte Baby seiner Herrchengerettet«, erzählte Ketonen mit zunehmender Begeisterung. »Der Knirps hatte plötzlich aufgehört zu atmen, und mit seinem Bellen hat der Hund sein Frauchen alarmiert. Außerdem lehrt uns diese Geschichte auch etwas …« Ketonen betrachtete die Gesellschaft am Tisch mit ernstem Gesichtsausdruck.
»Der Hund war etwa zwei Jahre vor der Geburt des Kindes an Krebs erkrankt, und der Tierarzt hatte empfohlen, ihn einzuschläfern. Aber die Familie hat bei der Bank einen Kredit aufgenommen und die Operation des Hundes bezahlt. Das heißt, man sollte uns alte Leute nicht vorzeitig abschreiben …«
Der Abend ging in einer angenehmen Atmosphäre weiter, bis Nelli allmählich müde wurde und Ratamo und Marketta übereinstimmend befanden, dass der Patient, der sich auf dem Weg der Genesung befand, schlafen gehen sollte. Es dauerte eine Weile, bis Musti bereit war, ihren Platz am Sessel ihres ehemaligen Herrchens zu verlassen.
MONTAG
20
Eeva umarmte Mikko und dachte, dass es wohl so kommen musste: Das Leben mit einem normalen und ausgeglichenen Mann war einfach zu gut gewesen, als dass es ihr vergönnt sein könnte. Mikko drückte sie so fest an sich, dass sie seinen Herzschlag unter dem Wintermantel spürte. Zumindest ihre Gefühle füreinander waren also noch nicht verschwunden, wenn der Abschied ihnen so schwer fiel. Schließlich löste sich Eeva von Mikko, langsam, aber entschlossen.
»Wir reden dann heute Mittag im ›Ahven‹ weiter.« Mikko Reiman warf Kirsi einen Blick zu und wünschte, er könnte ihr etwas Tröstliches sagen.
Als Mikko im Treppenhaus verschwunden war, zogen sich Eeva und Kirsi in aller Ruhe ihre Mäntel an und waren wenig später schon auf dem Weg zu Kirsis Schule. Das alltägliche Morgenritual empfand Eeva als ein wunderschönes Stück normalen Lebens inmitten von all diesem Chaos. Es störte sie nur, dass der Frost nicht nachgelassen hatte.
»Nellis Vater bringt euch heute zur Reitstunde«, sagte Eeva und bemühte
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