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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Veikko Saari ist ein alter Kollege von mir. Anfang der siebziger Jahre haben wir in derselben Abteilung gearbeitet.« Ketonen bemerkte den verblüfften Gesichtsausdruck Ratamos, der zur Küchentür hereinschaute. »In der KRP.«
    »Diese Unterlagen sind … Jussi, du arbeitest nicht mehr bei der SUPO. Bist du gekommen, um dir Streichhölzer auszuleihen oder was?«, fragte Ratamo ungehalten.
    »Marketta ist mit Nelli im Reitstall, du bist bis spät in der Nacht auf der Arbeit, hieß es, und Musti fühlt sich allein genauso unwohl wie ich«, sagte Ketonen zu seiner Verteidigung und dehnte dabei seine Hosenträger, dann vertiefte er sich erneut in Ratamos Unterlagen.
    »Du hast dich doch nicht etwa mit Marketta verstritten?«, erkundigte sich Ratamo neugierig.
    »Worüber sollten wir uns streiten? Wir haben eine Vereinbarung, dass ich über die wichtigen Dinge entscheide und Marketta über alles andere. Bisher ist noch nichts derart Wichtiges vorgekommen, dass ich hätte eingreifen müssen«, antwortete Ketonen und grinste. »Marketta ist eine tolle Frau, aber manchmal möchte man auch seine Ruhe haben.«
    Ratamo verabschiedete sich innerlich von seinem ruhigen Abend, holte eine Flasche Bier und ließ sich gegenüber von Ketonens Sessel auf das Sofa fallen.
    »Veikko Saari. Geboren am 4. 5. 1939 in Helsinki. Abitur, Armee.« Ketonen überflog Saaris Daten. »Hobbys: Mannerheim-Traditionsstiftung. Gesellschaft für finnische Sprache. Literaturverein Eira …« Ketonen geriet immer mehr in Eifer. »Das habe ich ja gar nicht gewusst, dass Saaris Bruder Kriegsgefangener war … Oh, oh, und dann auch das noch … der Vater war Deserteur … und anscheinend hatte Veikko auch Probleme, in den siebziger Jahren stand er im Verdacht, Drogen zu nehmen … keine Familie, keine nahen Verwandten. Da glaubt man, jemanden zu kennen und dann … Weshalb überprüft ihr übrigens Veikkos Vorleben?«
    Es dauerte eine Weile, bis die bruchstückhaften Informationen, die Ketonen aufgezählt hatte, in Ratamos Bewusstsein eingetaucht und verarbeitet waren. »Unter Drogenverdacht? Zeig mal her.« Ratamo nahm Ketonen Saaris Personenprofil aus der Hand und blätterte es schnell durch. Der Mann war nie verurteilt oder auch nur angeklagt worden.Den Verweis auf die Drogen konnte man dennoch nicht einfach übergehen.
    Ketonen stocherte mit der Gabel lustlos in den Resten des Makkaroniauflaufs herum, der duftend auf dem Tisch stand, anscheinend schmeckte es ihm dann aber doch, denn im Handumdrehen hatte er alles verschlungen, und der Teller war leer. »Das sind ganz eigenartige Ermittlungen. Ich kenne Veikko Saari und du Eeva Hallamaa. Ein ziemlicher Zufall, oder?«
    »Bei diesen Ermittlungen gibt es etwas zu viele Zufälle. Vor allem wenn man bedenkt, dass Eeva Hallamaa außergewöhnlich intelligent ist. Oder zumindest ist ihr Gedächtnis eines der besten der Welt. Allmählich habe ich den Verdacht, dass Eeva mich an der Nase herumführt wie einen Ziegenbock an der Leine«, sagte Ratamo. Dann trank er sein Bier aus.
    »Von dem Gedächtnis der Hallamaa hast du schon erzählt«, sagte Ketonen und rieb sein Kreuz, das ihm weh tat. »Das Gedächtnis ist ein merkwürdiges Ding. Es sagt nicht unbedingt viel über die Intelligenz aus. Ich habe vor einiger Zeit einen interessanten Artikel gelesen. Da ging es um Launen der Natur bei Menschen, die von ihrem Intelligenzgrad her unter dem Durchschnitt liegen, aber die nahezu unglaubliche Fähigkeit besitzen, sich bestimmte Dinge zu merken. Man bezeichnet sie als ›gelehrte Idioten‹. Einer von ihnen hat das Buch ›Der Aufstieg und Untergang des Römischen Reiches‹ einmal durchgelesen und konnte es danach Wort für Wort aus dem Gedächtnis hersagen. Und ein von Geburt an blinder Junge konnte mit fünf Jahren nicht sprechen, spielte aber virtuos Klavier. Man kennt sehr viele solche gelehrten Idioten, manche von ihnen haben unfassbare Fähigkeiten im Kopfrechnen, andere können schon mit zwei Jahren lesen, verstehen aber nicht, was sie lesen …«
    »Das ist das erste Mal, dass ich ein Verbrechen untersuche,bei dem es um Drogen geht«, sagte Ratamo, um Ketonens endloses Gerede zu unterbrechen. »Drogen führen wahrhaftig zu bedauernswerten Schicksalen.«
    »Man lernt eben nie aus«, sagte Ketonen mürrisch und strich sich eine graue Haarsträhne aus der Stirn. »In Afghanistan gibt es wirklich eine ganz besondere Situation: Der weltgrößte Heroinproduzent ist Verbündeter der USA und steht unter ihrem Schutz.

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