Finnischer Tango - Roman
nicht unbedingt als Ort für ein Studium zu erwarten ist, wenn jemand so eine … Grundausbildung hat? Es dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein, dass du mitten im Teufelskreis der Gefängnisse plötzlich beschlossen hast, Wirtschaftswissenschaftlerin zu werden. Einfach so. Wer hat dir geholfen?« Arbamows Hände wanderten über Renatas Körper.
»Ich bin … aufgenommen worden genau wie alle anderen auch.«
»Du bist schneller fertig geworden als der Durchschnitt, trotz der Ganztagsarbeit für die Malyschew-Leute, die du erst verlassen hast, als du in meine Dienste getreten bist. Hast du sie wirklich verlassen? Wann bist du das letzte Mal …«
Das Handy in Renatas Tasche vibrierte. Sie stand auf, meldete sich, hörte einen Augenblick zu, gab rasch eine ganze Reihe von Befehlen und beendete das Gespräch. Dann beugte sie sich vor und berührte mit ihren Lippen fast Arbamows Ohr.
»Der Finne hat sich vor einer halben Stunde im Hotel ›Marshal‹ eingeschrieben und das Haus soeben zu Fuß verlassen. Der Operator hat das Handy des Mannes lokalisieren können.« Renata wandte sich zur Tür.
»Ein Wort noch zur Warnung«, rief Arbamow ihr hinterher. »Wenn der Mann auch diesmal nicht gefunden wird, könnten sich meine Gedankenspiele in einen Verdacht verwandeln. Und du bist schon so lange in dem Geschäft, dass du weißt, was das bedeutet.«
Renata wartete nicht auf die Erlaubnis, den Raum verlassen zu dürfen. Sie knallte die Tür von Arbamows Arbeitszimmer zu und lief mit hallenden Schritten auf dem Marmorfußboden durch die große Halle des Belosselski-Beloserski-Palastes, als das Telefon in ihrer linken Faust aufheulte wie ein Nebelhorn.
»Ich weiß, wo der Erpresser ist … oder zumindest, wo er hin will«, sagte der junge Computerexperte stolz. »Im Foyer des Hotels ›Marshal‹ steht eine Büste von diesem Mannerheim, ein Buch über ihn hatten wir im Hotelzimmer des Erpressers gefunden, der eindeutig ein Bewunderer des finnischen Marschalls ist. Und Mannerheim wohnte seinerzeit in Petersburg unter den Adressen Moika-Ufer 29, Kutusow-Ufer 28, Ligowskaja 49/51, Millionnaja uliza 8 …«
»Zur Sache!«, fuhr Renata ihn an.
»Nach den Ortungsdaten des Operators hat der Erpresser nach dem Verlassen des Hotels vier der Objekte aufgesucht. Der Mann macht einen Rundgang zu den Häusern, in denen Mannerheim seinerzeit gewohnt hat, es sind nur noch zwei Gebäude übrig.«
Renata schrieb die Adressen auf, rief ihre Männer an und beorderte zu beiden Objekten eine Gruppe. Jetzt würden sie den Erpresser zu fassen kriegen. Aber warum hatte sie wieder das Gefühl, dass der Finne sie dirigierte.
Veikko Saari blieb in der Sacharewskaja uliza vor dem Haus Nummer 21 stehen. Das Gebäude war immer noch vorhanden wie auch alle anderen, in denen Mannerheim während seiner Jahre in Sankt Petersburg gewohnt hatte. Das Äußere des Hauses beeindruckte ihn nicht, aber seine Geschichte: Saari stellte sich vor, wie der junge und selbstbewusste Carl Gustav Emil aus seiner ersten eigenen Mietwohnung in die nahe gelegene Stätte seiner Studien, die Nikolajewsche Kavallerieschule, stolziert war.
Das Licht der Straßenlaterne zeichnete Saaris Schatten auf die schmutzige Fassade des dreigeschossigen Hauses. »Der Schatten begleitet mich auf der letzten Reise, die schon begonnen hat.« Die Zeile aus einem Gedicht von Eeva-Liisa Manner tauchte aus seinem Gedächtnis auf, sie passte perfekt zur Situation. Es war ein eigentümlicher Gedanke, dass er höchstwahrscheinlich nie wieder auch nur eine Minute normal schlafen würde. So nahe war das Ende schon. Er hoffte, dass er seine letzten Augenblicke ruhig und gelassen überstehen würde.
Es machte ihn traurig, dass er nicht im »Marshal« übernachten durfte. Immerhin hatte das jetzige Hotel einst der Leibwache der Zarin, der Chevalier-Garde, gehört, in der auch der Marschall einige Jahre gedient hatte. Saari war nurin dem Hotel gewesen, um sich anzumelden und sicherzugehen, dass Arbamows Lakaien ihm auf die Spur kamen.
Es blieb nur noch ein Gebäude übrig, aber das war das wichtigste, überlegte Saari, warf einen Blick auf seinen Stadtplan und machte auf den Hacken kehrt. Die Wohnung im Haus Konjuschennaja Ploschtschad 1–2, also am Stallplatz 1–2, war das Quartier Mannerheims in Petersburg, in dem er am längsten gewohnt hatte, fast auf den Tag genau sieben Jahre. Von hier war er Ende des Jahres 1904 als Freiwilliger in den Russisch-Japanischen Krieg gezogen.
Saari ging an einem
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