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Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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idyllischen Park vorbei, sah eine freie Bank und beschloss, sich einen Augenblick auszuruhen und dabei den Kindern zuzuschauen, die auf einem Klettergerüst herumturnten. Je länger er seinen Spaziergang hinauszog, umso besser, dann hatten die Russen genügend Zeit, zu begreifen, dass er einen genau geplanten Rundgang machte. Er hatte Angst, dass er die Behandlung durch Arbamows Männer nicht lange genug aushalten würde, bis zum Unabhängigkeitstag waren es noch sechs Stunden.
    Er wischte den Schnee von der hölzernen Parkbank und schaute zu, wie die warm angezogenen Kinder herumtobten, wie von selbst schweiften seine Gedanken dabei in die Vergangenheit ab. Er holte aus seiner Brusttasche einen Brief, den sein Bruder während des Winterkrieges vom Vater erhalten hatte. Der braune Umschlag war sehr abgegriffen und die Stempel »Feldpost« und »Von der Militärzensur geprüft« waren verblasst. Er holte das vergilbte Papier aus dem Kuvert heraus, datiert war der Brief mit: »An der Front, 11. 2. 1940.« Langsam las er den Text: »Grüß dich, Paavo. Danke für Deinen Brief. Ich hatte viel zu tun, deshalb bin ich nicht früher dazu gekommen, Dir zu schreiben. Sehr gern würde ich Dich als Melder nehmen, aber das darf ich nicht. Alle, die hierherkommen, müssen über den Militärbezirk kommen. Auch die Erwachsenen, wenn es dort zu Hause noch welche gibt, die nicht dienen, kommennicht dahin, wo sie hin wollen, sondern wohin man sie befiehlt. Versuche Du dort in jeder Hinsicht eine Hilfe zu sein. Das ist ein genauso großer Dienst für das Vaterland wie …«
    Die Gefühle übermannten ihn, und die letzten Zeilen verschwammen vor seinen Augen. Saari hob nicht einmal den Kopf, als er die Schritte hörte, die sich hinter seinem Rücken näherten, und die Befehle auf Russisch, die eine Frau mit schneidender Stimme erteilte. Er wusste auch ohne hinzuschauen, wer da kam: Renata Gergijewa und der Tod.
30
    Adil al-Moteiri konnte sich nicht erinnern, jemals vor einem Treffen mit einer Frau so aufgeregt und angespannt gewesen zu sein. Nicht einmal bei dem jungenhaften Mädchen von Camp Bucca, das es genossen hatte, nackte Gefangene mit dem Wasserschlauch, dem Knüppel und der glühenden Zigarette zu demütigen. Aber diese Angst heute war gewissermaßen ein positives Gefühl. Es verwunderte ihn, warum der Mensch auch vor angenehmen Dingen Angst haben sollte, das schien eindeutig ein Konstruktionsfehler zu sein.
    Der Seewind wehte vom Nordhafen bis in die Rauhankatu in Kruununhaka. Adil schlug den kleinen Kragen seines Kaschmirmantels hoch und fluchte einmal mehr, dass er hier in Helsinki vor Kälte zittern musste. Gegen Abend wurde es noch eisiger.
    Er wartete auf Eeva, die einzige Frau in seinem Leben. Den ganzen Nachmittag hatte er sich verhalten wie ein Teenager: Er hatte drei verschiedene Hemden anprobiert, eine halbe Stunde vor dem Spiegel gestanden, seine Schuhe poliert, die Fingernägel gefeilt … Da er sicher war, dass die Behörden Eevas Gespräche abhörten, hatte er sie mit seinem eigenen Handy angerufen, die Polizei sollte wissen,dass Eeva freiwillig zu dem Treffen kam. Ansonsten hätte man ihn für den Türken halten können. Das Treffen hatte freilich seinen Preis, von jetzt an würde er immer sicherstellen müssen, dass die Polizei ihm nicht folgte.
    Adil brauchte nichts zu befürchten, er hatte sich keines einzigen Vergehens schuldig gemacht, verspürte aber trotzdem nicht das dringende Verlangen nach einem Polizeiverhör. Die richtige Dosis Vorsicht war der Garant des Erfolgs. Deshalb hatte er auch abgewartet, bis Eeva in das Angebot Turan Zanas für eine Zusammenarbeit einwilligte, und ihr erst danach dieses Treffen vorgeschlagen. Diese Zeit des Wartens war eine der längsten in seinem Leben gewesen.
    Die Kälte drang durch Mark und Bein, und der vom Wind aufgewirbelte Pulverschnee schmolz auf dem Gesicht. Adil wäre am liebsten schon in die Fotogalerie »Laterna Magica« hineingegangen, aber es erschien ihm sicherer, Eeva draußen zu begegnen; wer weiß, vielleicht hatte sie nur vor, ihm ins Gesicht zu sagen, dass sie mit ihm nichts mehr zu tun haben wollte.
    Adil überlegte, was es für ein Gefühl war, Eeva zu lieben, aber er fand keine Worte dafür. Dostojewski war jedoch imstande gewesen, sogar eine metaphysische Verzückung zu beschreiben: »Es gibt Sekunden, es sind im ganzen nur fünf oder sechs auf einmal, und plötzlich fühlt man die Gegenwart der ewigen Harmonie, der vollkommen erreichten. Das ist

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