Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finnischer Tango - Roman

Finnischer Tango - Roman

Titel: Finnischer Tango - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
Eeva wechselte das Thema: »Hast du … jemanden an deiner Seite, gibt es eine Frau in deinem Leben?«
    »Vermutlich habe ich nicht einmal danach gesucht«, erwiderte Adil, obwohl er gern zugegeben hätte, dass er gar niemand anderen als Eeva haben wollte. »Genialität ist nicht vererbbar. Und in den Fällen, in denen sich ungewöhnlich intelligente Menschen Kinder angeschafft haben, gibt es über die nur selten Gutes zu berichten. Es ist verblüffend, dass die Familie eines Genies nahezu regelmäßig nur kurze Zeit nach seinem Tod erlischt. Und die Beziehungen von Genies zum anderen Geschlecht sind in der Regel tragisch. Wie du sehr gut weißt.«
    Über dieses Thema wollte Eeva nicht sprechen. Adilkonnte sich stundenlang selbst loben, und je länger er über sich redete und redete, umso überheblicher wurden seine Geschichten. Eeva blieb vor einem Foto von einem Basketballspiel zwischen britischen und amerikanischen Soldaten stehen. »Warum bist du übrigens in Finnland? Dienstlich oder …«
    »Im Dezember wird ja wohl niemand zu seinem Vergnügen nach Finnland reisen. Ich nehme an einer Konferenz in Otaniemi teil. Offen gesagt, schlage ich im Moment nur die Zeit tot und warte darauf, dass sich die Situation zu Hause im Irak normalisiert.«
    »Werdet ihr die Dinge dort je in Ordnung bringen? Und werdet ihr es schaffen, dass die Briten und Amerikaner den Irak verlassen?«
    »Ja«, antwortete Adil postwendend, laut und entschlossen. »Die Eroberer sollten uns nicht unterschätzen. Der Irak hat Besatzer immer grob behandelt. Auch die römischen Legionen erlitten ihre größte Niederlage an den Ufern des Euphrat in der Schlacht von Carrhae.«
    Diesen Gesichtsausdruck hatte Eeva schon vergessen: Wenn Adil über Dinge sprach, die für ihn am allerwichtigsten waren, dann verlor er anscheinend die Verbindung zu seiner Umgebung, seine Augen wurden glasig, und er sprach wie eine Maschine.
    »… und 1916 kapitulierte der britische General Charles Townsend in der Stadt Kut bedingungslos, nachdem man die Stadt hundertvierzig Tage lang belagert und über fünfzigtausend britische Soldaten abgeschlachtet hatte.«
    Das einstige Paar kam wieder an dem Foto an, vor dem es seinen Rundgang begonnen hatte, und verließ die Galerie, als gäbe es ein unausgesprochenes Übereinkommen.
    Eeva hasste Abschiedsszenen und überlegte fieberhaft, was sie sagen sollte, als sie durch das Antiquariat gingen und schließlich auf die Rauhankatu hinaustraten.
    »Es war wunderbar, dich zu sehen«, sagte Adil und gab Eeva einen leichten Kuss auf die Wange.
    »Das fand ich auch, Adil. Pass auf dich auf, hoffen wir, dass die Zeit die Wunden heilt.« Eeva drückte seinen dünnen Arm.
    »Wir sehen uns noch«, rief Adil, wandte sich ab und lief in Richtung Nordhafen.
    Eeva wollte zum Senatsplatz und schaute auf ihre Uhr, sie hatte sich mit ihrer Freundin Sari um sieben Uhr im Café »Strindberg« verabredet. Bis dahin blieb noch Zeit. Es wunderte sie, in welch kurzer Zeit der stets lächelnde Schöngeist Adil zu einem Erwachsenen mit strengem Blick geworden war. Ihr ging durch den Sinn, was aus ihrem Leben geworden wäre, wenn sie sich nicht getrennt hätten. Immerhin war Adil ein außergewöhnlich begabter Mensch und Sprößling einer mächtigen arabischen Familie.
    Ebenso verwunderlich war, dass Adil überhaupt nicht nach ihren Beziehungen zu Männern gefragt hatte. Konnte es sein, dass er die Trennung immer noch nicht überwunden hatte? Es war ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass Adil das erste Mal nach ihrer Trennung gerade jetzt Kontakt zu ihr aufnahm, als sie in den Alptraum hineingezogen wurde, den der Türke ausgelöst hatte. Eevas Besorgnis wurde noch größer, als ihr einfiel, dass sie in den letzten Tagen zweimal geglaubt hatte, Adil zu sehen: Auf einem Foto, das in Mikkos Fotoatelier an der Wand hing, und am Eingang des Lebensmittelladens an der Ecke von Tehtaankatu und Laivurinkatu.
    Ein paar Touristengruppen fotografierten auf dem Senatsplatz den Dom, obwohl es an diesem Abend unangenehm windig war. Eeva machte einen großen Bogen um sie, um nicht versehentlich auf ein Foto zu geraten. Angst und Ungewissheit quälten sie; könnte sie den Abend in Ruhe mit Kirsi verbringen, oder würde der Türke schon heute anrufen? Sie hatte Sehnsucht nach Mikko. Dass er ihr nichtglaubte, was sie über den Türken erzählt hatte, enttäuschte sie viel mehr, als dass er ausgezogen war. Eeva wusste, dass sie ihre Schwächen hatte, aber eine Lügnerin war

Weitere Kostenlose Bücher