Finnischer Tango - Roman
er sich unter Kontrolle hatte. Zumindest so weit, dass er nicht reden würde. Er könnte das überstehen, so wie die Folter würde auch er in Etappen vorgehen.
»Warum wolltest du gefasst werden? Du hast Hinweise hinterlassen, deine Kontonummer und deine Telefonnummer haben uns auf deine Spur geführt, du bist selbst bei Fed Ex gewesen … Wolltest du gefaßt werden?«, brüllte Renata.
Saari hörte seine eigene Stimme, sie kam irgendwoher aus der Ferne. Er sprach von seiner Krankheit, vom Nachlassen seines Gedächtnisses, von seiner eigenen Abhängigkeit … Er konnte also seinen Rollentext trotz alledem aufsagen.
Plötzlich erblickte Saari vor sich eine missgebildete Gestalt, die einen Stock schwang; er sah ein tanzendes Licht, dann knallte etwas.
»Ein Elektroschocker«, sagte Arbamow. »Wir gehen gleich zu Stufe zwei über.« Er zeigte ihm ein schwarzes Gerät von der Größe eines Ziegelsteins. An einem Ende tanzte Hochspannungsstrom zwischen zwei Elektroden und knisterte als blauer Blitz. »Sie bekommen damit Schläge mit fünfzigtausend Volt … an ihren empfindlichsten Stellen. Wir haben mehrere davon.« Als wollten sie seinen Worten Nachdruck verleihen, demonstrierten zwei der Männer ihre Elektroschocker.
Saari fiel ein, dass Adil im Gefangenenlager mit Elektroschocks gefoltert worden war. Er musste das aushalten, so wie es Adil ausgehalten hatte, er durfte seinen Wohltäter nicht enttäuschen, er war einfach gezwungen, es zu ertragen.
Renata trat näher heran und klopfte mit ihren Knöcheln auf die Lehne des Metallstuhls. »Und wenn du die Elektroschocks überstehst, darfst du in der nächsten Etappe die Eigenschaftendieses Metallstuhls testen. Er kann auf zweihundertvierzig Grad erhitzt werden.«
Arbamow betrachtete den Rentner, der Renata anspuckte, und fragte sich verwundert, warum der es für wert hielt, Schmerzen zu erleiden, obwohl er wusste, dass er auf jeden Fall sterben würde. Die meisten, die gefoltert werden sollten, gaben ihre Informationen schon preis, wenn sie nur hörten, wie man sie martern würde.
32
Elvis, Kekkonen, Lenin – die ganze Gipsbüstengalerie verfolgte vom Fensterbrett aus das Paar, das auf dem Ballstuhl stöhnte. Ilona saß auf Ratamos Schoß, und der wiegende Rhythmus ihrer Körper wurde immer heftiger, Ratamos Atem ging immer schwerer, und Ilonas Seufzer wurden immer lauter. Das alles verschmolz mit dem Geruch der Liebe in dem kleinen Kaminzimmer. Ilonas Rock war bis zur Hüfte hochgeschoben, und unter ihrer Bluse bewegten sich Ratamos Hände. Kurz vor dem Höhepunkt sah Ratamo den Labrador und schaute in seine neugierigen Augen, die Stimmung war dahin, aber er konnte auch nicht mehr aufhören …
Eine Tür knallte, und die Liebenden erstarrten. Ratamo erkannte an den Geräuschen, dass Nelli nach Hause kam: Die Tasche mit ihren Reitsachen fiel krachend zu Boden, ihre Schuhe klapperten durch den Flur, und die Schiebetür des Kleiderschrankes rauschte auf, aber nicht wieder zu. Ilona und Ratamo sprangen hoch, brachten ihre Sachen in Ordnung und fuhren sich durch die Haare. Die Röte im Gesicht aber ließ sich nicht wegwischen.
Ratamo zog einen Pullover an, der bis zu den Oberschenkeln reichte. Zum Glück. Er schaute Ilona so schuldbewusstan, dass sie in Gelächter ausbrach, das schließlich auch ihn ansteckte. Er kam sich vor wie in seiner Schulzeit, als der Vater einmal vorzeitig nach Hause gekommen war und ihn dabei ertappt hatte, wie er gerade auf dem Wohnzimmersofa an seiner Freundin herumfummelte.
»Wir sind ja hier schließlich nicht bei einem Ritualmord erwischt worden«, sagte Ilona und streichelte Ratamos Wange.
»Marketta wollte nicht mit reinkommen?«, rief Ratamo Nelli zu, die Antwort blieb aus, man hörte nur ein Gemurmel. »Übrigens ist Ilona bei uns zu Besuch!« Immer noch keine Antwort.
»Vielleicht ist es besser, wenn ich mal hingehe und mich mit Nelli unterhalte«, schlug Ilona vor.
»Hallo, Ilona.« Nelli tauchte mit neugieriger Miene an der Tür auf.
»Ich habe mir gedacht, dass Ilona heute Abend hier bleiben könnte. Heute ist doch die Weihnachtsfeier der SUPO.« Ratamo bereute es, dass er das Nelli nicht schon früher gesagt hatte.
»Super. Dann kann ich dir noch mehr Fotos zeigen, die allerschlimmsten von Vati hast du noch nicht gesehen.« Nelli grinste ihren Vater an, griff nach Ilonas Handgelenk und zog sie mit sich ins Wohnzimmer.
Ratamo bemerkte, dass er schon eine Stunde zu spät war. Am liebsten hätte er die ganze Fete
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