Finnischer Tango - Roman
ausgelassen, aber dann fiel ihm ein, dass sich Ilona und Nelli heute richtig kennenlernen könnten, und so eine gute Gelegenheit sollte man nicht verpassen. Er bestellte ein Taxi, ging ins Schlafzimmer und durchwühlte den Klamottenhaufen, der auf dem Fußboden lag, in der Hoffnung, ein paar Jeans zu finden, die etwas sauberer waren. Ilona und Nelli plauschten in der Küche. Er fand es verwunderlich, dass seine Freundinnen nach ein paar Minuten einen besseren Draht zu Nelli hatten alser nach elf Jahren. So kam es ihm zumindest manchmal vor.
Ratamo betrat die Küche, in der Ilona und Nelli belegte Brote zurechtmachten. Bei dem Anblick bekam er Sehnsucht nach einem normalen Familienleben. »Ich muss jetzt los, man kann sich bei einer Weihnachtsfeier um eine Stunde verspäten, aber nicht um zwei.«
»Viel Spaß.«
»Zum Heiligabend mit dem Schlitten, den Kerzen zieren. Von der Betriebsweihnachtsfeier nach Haus auf allen vieren«, rief Ratamo Ilona zu, zog seine Jacke an und verschwand im Treppenhaus.
Im Taxi dachte er über Eeva Hallamaa nach. Irgendwie hing Eeva mit Wassili Arbamows Heroingeschäften zusammen, aber wie? Ratamo weigerte sich, zu glauben, das Verschwinden von Eevas Nachbar Veikko Saari in Sankt Petersburg und die Dienstreise ihres Ex-Mannes Antti Hytölä dorthin seien reiner Zufall. Plötzlich wurde ihm klar, dass er vergessen hatte, Eevas Vater noch einmal wegen der Seriennummer der verschwundenen Luger anzurufen. Allmählich bekam er Angst, man könnte ihn rausschmeißen, wenn herauskam, dass er Informationen über Eeva verschwiegen hatte. Die Arbeit in der SUPO war zwar vielleicht nicht mehr derselbe Traumberuf wie am Anfang vor fünf Jahren; das Leben in der Welt des Verbrechens fraß einen Mann und seine Ideale auf, aber er konnte sich auch nicht vorstellen, beruflich irgendetwas anderes zu machen.
Das Taxi hielt an der Ecke von Museokatu und Dagmarinkatu vor dem massiven Haus »Ostrobotnia«. Ratamo wunderte sich immer noch, warum Mikko Piirala, der Chef der Abteilung für Informationsmanagement, die Weihnachtsfeier gerade hier organisiert hatte, normalerweise betranken sie sich in der Ratakatu bis zur Bewusstlosigkeit. Piirala, der scharf darauf war, bei jeder Feier, und sei es irgendeineKatzentaufe, den Organisator zu spielen, hatte als Datum für die Weihnachtsfeier den 5. Dezember gewählt, einen Montag, aber der Dienstag war Feiertag. Ratamo würde allerdings in diesem Jahr auch am Unabhängigkeitstag schuften müssen.
Er bezahlte das Taxi, überquerte den Fußweg, auf dem ein eisiger Wind wehte, und zog die Tür des Restaurants »Manala« auf. Überrascht bemerkte er, wie Ossi Loponen durch das Foyer zwischen Bar und Speiserestaurant schwankte. Die Feier hatte doch erst vor anderthalb Stunden begonnen. Offensichtlich waren die Jungs in »Urho’s Pub« gewesen, um ein gutes Fundament zu legen. »Hier sind ja manche schon ganz schön in Fahrt.«
»Die gute Nachricht ist, dass ich die Finger vom Schnaps gelassen habe. Und die schlechte ist, dass ich nicht mehr weiß, wo«, stammelte Loponen mit schwerer Zunge, während Ratamo der Garderobenfrau seine Jacke reichte; er konnte selbst nicht über seinen Witz lachen.
Ratamo schaute sich erstaunt in der Bar des »Manala« um, die nach seinem letzten Besuch renoviert worden war. Am Tresen herrschte großes Gedränge, aber an den Tischen sah es schon ruhiger aus. Gemessen an der Zahl der schmutzigen Teller schien den Kollegen die Weihnachtsverpflegung geschmeckt zu haben. Der Lärm, der von unten heraufdrang, und der Betrieb auf der Wendeltreppe ließen darauf schließen, dass in der Kellerbar am meisten los war.
Er bat den Mundschenk um ein Glas Rotwein und freute sich, als er das Etikett einer ihm vertrauten portugiesischen Marke erkannte. Dann betrachtete er kurz das Hinterteil einer Sängerin auf dem großen Bildschirm an der Wand und stieg gerade die schmale Wendeltreppe hinunter in den Keller, als dort plötzlich ein höllischer Lärm losbrach.
Auf einer Bühne, die man in der Ecke aufgebaut hatte, malträtierten drei Jungs im Teenageralter ihre Instrumentein einem Stil, dass Ratamo sich fragte, ob es in den Musikschulen heutzutage einen Holzfällerkurs gab. Er schaute den Jünglingen eine Weile zu und versuchte herauszufinden, ob jemand wirklich so schlecht spielen konnte oder ob der Lärm irgendwo in einer Schrottpresse aufgezeichnet worden war. Da tauchte Riitta Kuurma neben ihm auf.
»Das ist die Band von Piiralas Sohn. Denen
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