Finnisches Blut
kleine Notlüge. Ich wollte nicht, daß sich Außenstehende, die das möglicherweise hören, Sorgen machen. In der bewußten Angelegenheit hat sich Neues ergeben. Ich wollte dich selbst darüber informieren, da Pekka Vairiala verhindert ist und du ja niemand anderen von uns kennst.«
Er log, aber es hörte sich ganz natürlich und überzeugend an. Unter gar keinen Umständen hatte er seinen eigenen Namen im Treppenhaus nennen wollen.
»Das ist ja interessant. Gemäß der Anweisungen Vairialas bin ich den ganzen Abend zu Hause geblieben. Ich habe mit meiner Freundin zu Abend gegessen, dann ist sie gegangen, und ich wollte ein Bad nehmen. Deshalb hat es eine Weile gedauert, bis ich an der Tür war«, sagte Manneraho und wirkte nun schon bedeutend nüchterner.
|69| Der Professor war nicht so betrunken, wie Siren gehofft hatte. Dennoch schien er Glück zu haben: Manneraho war in der Badewanne gewesen.
Manneraho schloß die Wohnungstür, bedeutete Siren, näher zu treten, und folgte ihm ins Wohnzimmer. Das war mit dem Dachgeschoß verbunden, dadurch war das Zimmer über fünf Meter hoch. In der Mitte stand eine Couchgruppe »Alcantara« in Naturweiß, auf den Parkettfußböden lagen keine Teppiche, und alle Lichtquellen waren Halogenlampen. Auf den Fensterbrettern waren sorgfältig kleine Kunstgegenstände aufgestellt, und an den Wänden hingen Dutzende Gemälde.
»Ich belästige dich mitten in der Nacht, Eero, weil wir den begründeten Verdacht haben, daß im Zusammenhang mit der Angelegenheit, über die wir am frühen Abend gesprochen haben, jeden Moment Unannehmlichkeiten zu erwarten sind. Gut, daß noch nichts passiert ist.«
Manneraho starrte den General verdutzt an.
Siren betrachtete in aller Ruhe die mit viel Geld eingerichtete Wohnung. An einem zentralen Platz an der Wand entdeckte er eine schöne Ikone. Sie schien nicht zu den modernen Gemälden zu passen. War sie ein Mitbringsel aus Rußland? Aber warum hätte Manneraho bloß wegen eines Reisesouvenirs einen Stilbruch in seiner Kunstsammlung begehen sollen? Vielleicht war er gläubig. Siren überlegte, ob er danach fragen sollte. Nein, das könnte beim Professor Verdacht wecken. Und in ihm selbst auch.
»Es wäre am besten, wenn wir denselben Zustand wieder herstellen würden wie zu dem Zeitpunkt, als ich geklingelt habe«, sagte Siren im Offizierston. »Welches Licht war hier an, als du in der Badewanne lagst?«
»Ja, äh … Ich denke mal, das im Bad und in der Küche«, antwortete |70| Manneraho, ohne zu verstehen, warum Siren danach fragte.
Siren bat den Professor, das Licht im Wohnzimmer und im Flur zu löschen.
»Ich weiß nicht, wie deine Wohnung beobachtet wird, es ist also möglich, daß man mich nicht bemerkt hat. Ich warte hier drinnen. Mal sehen, ob etwas passiert. Du gehst wieder ins Bad. Sicher ist dir deine Gesundheit so viel wert, daß du das genauso siehst«, sagte Siren mit überzeugender Stimme und schaute Manneraho an, als hätte er ihm einen Befehl erteilt.
»Willst du also, daß ich wieder in die Badewanne steige?« fragte der Professor wie ein Schuljunge, der auf die Anweisungen des Lehrers wartet.
»Ja.«
Verblüfft gehorchte Manneraho. Man hörte, wie das Wasser klatschte, als er sich wieder in die Wanne setzte.
Siren zog die Gardinen zu. «Bist du schon in der Wanne?« rief er im Wohnzimmer. Die Anspannung führte dazu, daß er unschlüssig wurde.
»Ja. Was ist denn eigentlich geschehen?« fragte Manneraho voller Angst.
Siren, der jetzt Handschuhe trug, betrat das Badezimmer, blieb an der Tür stehen und schaute sich schnell um. Der Fön hing am Kleiderhaken, der Stecker befand sich in der Dose. Bevor Manneraho begreifen konnte, was geschah, hatte Siren den Fön genommen, eingeschaltet und ins Wasser geworfen. In der Badewanne funkte und blitzte es. Mannerahos Körper schwankte und wurde mehrere Sekunden lang hin und her geworfen. Siren betrachtete den Todeskampf und spürte eine göttliche Macht.
Als Manneraho schließlich leblos ins Wasser rutschte, |71| tauschte Siren die Gummihandschuhe gegen Lederhandschuhe aus und blieb etwa eine Minute lang stehen. Dann zog er den Stecker des Mordinstruments aus der Dose und tastete nach Mannerahos Puls. Es war nichts zu spüren.
Das verzerrte Gesicht des Professors, den der Stromschlag umgebracht hatte, sah so aus, als hätte er sich zu Tode gelacht. Siren schauderte es. Das beschämende Gefühl der Allmächtigkeit, das er beim Töten gespürt hatte, war schon verschwunden.
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