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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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mitzunehmen. Nach Hause will ich aber erst, wenn durch ein paar Bier der Kater nachläßt. Kaisa geht bestimmt die Wand hoch. Könntest du mir, sagen wir, fünfhundert bringen.«
    »So viel? Ich bringe mit, was ich auftreiben kann. In einer halben Stunde bin ich da. Komm vor die Tür der Kneipe, ich habe keine Lust, da reinzugehen.«
    »Natürlich. Bis gleich.«
    Ratamo schaute auf die Uhr, Liisa würde kurz nach elf hier sein. Zum Glück wollte sie nicht hereinkommen, dadurch brauchte er ihr nicht zu erklären, warum Manneraho nicht da war. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, daß er Liisa ausnutzte, obwohl er dazu gezwungen war. Er wollte ihr gewiß nicht weh tun.
    Ratamo ging zur Toilette, kehrte danach in die Kneipe zurück |132| und leerte sein Glas. Das Telefon hatte nur ein Fünfmarkstück geschluckt, er hatte also noch das Geld für ein zweites Glas, während er auf Liisa wartete.
    Durch die entspannende Wirkung des Biers war Ratamo nun imstande, die Ereignisse des Tages realistischer als bisher zu betrachten und über seine Lage nachzudenken. Je länger er überlegte, um so merkwürdiger erschien es ihm, daß in der Stadt keine Anzeichen einer Großfahndung zu erkennen waren. Wenn im Zentrum von Helsinki ein Mann frei herumlief, der des Hochverrats und des Mordes an zwei Menschen verdächtigt wurde, sollte man annehmen, daß überall zu sehen und zu hören wäre, wie nach ihm gesucht wurde. Im Herbst 1997 waren bei der Fahndung nach einem Polizistenmörder in der ganzen Stadt Hubschrauber, Straßensperren und jede Menge Polizisten aufgetaucht. Vielleicht wollte die Aufklärungsabteilung nicht, daß die Sache an die Öffentlichkeit kam, bevor sie ihn gefaßt hatte. Möglicherweise war es ihre Absicht, die Fahndung in aller Stille ablaufen zu lassen. Aber warum? Hing das mit denen zusammen, die Manneraho und Kaisa umgebracht hatten? Oder mit dem Hochverrat, den die Aufklärungsabteilung angedeutet hatte? Oder vielleicht hatte man die Fahndung ganz einfach noch nicht begonnen. Er hatte viele Fragen, aber sehr wenig Antworten.
    Die Oma mit den roten Haaren zwinkerte ihm zu und hob ihr Glas zum Gruß. Ratamo mußte lachen, wandte seinen Blick aber von ihr ab. Er war jetzt nicht in der richtigen Plauderstimmung.
    Sobald er seinen Gedanken freien Lauf ließ, kehrten sie zu Kaisa zurück. Er hatte für seine Frau nicht jene Liebe empfunden, die nach seiner Kenntnis in der Regel die Grundlage einer Beziehung war, aber sie hatten schließlich viele Jahre |133| gemeinsam verbracht und kannten einander genau. Er spürte schmerzliche Trauer wegen Kaisas Tod und noch mehr, weil nun ihre gemeinsame Tochter keine Mutter mehr hatte. Er wußte sehr gut, was es im schlimmsten Fall bedeutete, ohne Mutter aufzuwachsen. Kaisas Tod konnte er nicht rückgängig machen, aber er durfte nicht so reagieren wie sein Vater. Er würde alles dafür tun, daß Nelli nicht so leiden mußte wie er damals. Deshalb wollte er versuchen, ihr sowohl Vater als auch Mutter zu sein. Dennoch hätte Nelli zu Hause niemanden, der mit ihr über Frauenangelegenheiten reden würde oder Verständnis hätte für Mädchengeschichten. Noch entsetzlicher wäre es, wenn das arme Kind zur Vollwaise würde. Ratamo nahm sich vor, daß es dazu nicht kommen durfte.

|134| 24
    Vairiala suchte die Durchwahl des Polizeichefs in Teil 2 des Helsinkier Telefonbuches, das interne Telefonverzeichnis der Polizei war ihm irgendwann abhanden gekommen. Die Sekretärinnen oder die Frauen in der Vermittlung brauchten nicht zu wissen, mit wem er telefonierte. Die Durchwahl war im Telefonbuch jedoch nicht angegeben, also mußte er es über die Zentrale versuchen.
    Nachdem Vairiala ein paar Sekunden lang eine Version der Melodie von »El Condor Pasa« gehört hatte, wurde er verbunden, und eine ruhige Männerstimme meldete sich.
    Vairiala stellte sich offiziell vor, während der Polizeichef ihn ganz ungezwungen grüßte.
    Die beiden kannten einander nicht, und Vairiala fiel nichts ein, worüber sie als Einstieg hätten reden können. Also kam er sofort zur Sache. »Bei uns in der Aufklärungsabteilung ist eine große Sache im Gange, und ich brauche in dem Zusammenhang die Unterstützung der Polizei.« Vairiala arbeitete schon lange genug in bürokratischen Institutionen und wußte eins ganz genau: Wenn du willst, daß jemand etwas für dich tut, dann mußt du dein Anliegen vernünftig vortragen und dafür sorgen, daß sich der andere wichtig und als Fachmann fühlt.
    »Natürlich.

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