Finnisches Blut
erlangt, ob man die Angebote der Käufer zurückverfolgen könnte oder nicht, das Risiko mußte er jedoch eingehen. Er konnte nur hoffen, daß die Terroristen Fachleute waren. Ihn selbst könnte man jedenfalls mit Hilfe des Internets nicht lokalisieren, dafür würde er jetzt sorgen.
Siren griff mit seinen Fingern, die so groß waren wie Grillwürste, in die Brusttasche seines schwarzen Anzugs, holte |252| einen Taschenkalender heraus und suchte Matti Pekkanens Telefonnummer. Pekkanen war der einzige Mensch, den er als seinen Freund bezeichnen konnte. Sie waren in ihrer Kindheit immer in die gleiche Schule gegangen und hatten in den Gottesdiensten der Laestadianer-Gemeinde nebeneinander gesessen und die Predigten von Mattis Vater gehört. Das sonnengebräunte Gesicht des Gemeindepfarrers Sakari Pekkanen tauchte vor ihm auf. Der gestrenge Mann war das Rückgrat und der leidenschaftliche Prediger der Gemeinde gewesen. Im Kirchensaal hatte eine gottesfürchtige Stille geherrscht, wenn Sakari Pekkanen seine Predigt immer mit denselben Worten beendete: »Der Tod ist der Sünde Sold.«
Als Siren die Gemeinde verlassen hatte, war Matti Pekkanen in Himanka der einzige gewesen, der die Verbindung zu ihm nicht abgebrochen hatte. Jetzt brauchte Siren verläßliche Hilfe.
Die Telefonnummer der finnischen Botschaft in Argentinien fand sich. In Buenos Aires war es jetzt abends halb sechs, und Siren vermutete, daß sich Pekkanen noch im Dienst befand. Er zögerte einen Augenblick, wählte dann aber die Nummer seiner eigenen Sekretärin in Helsinki, die sich auch nachts um halb zwölf schon nach dem ersten Ruf meldete. Siren stellte sich betrunken und bat sie, ihn mit der Nummer zu verbinden, die er ihr nannte. Er wußte nicht, ob Pekkanen solch ein digitales Telefon besaß, auf dem die englische Nummer angezeigt würde, wenn er von London aus telefonierte. Pekkanen sollte aber unbedingt glauben, er rufe aus Finnland an.
In der vierten Etage des Bürogebäudes in der Avenida Santa Fé in Buenos Aires meldete sich der Erste Botschaftssekretär. Es dauerte eine Weile, bis er Pekkanen ans Telefon geholt hatte.
»Gott zum Gruß, Raimo. Entschuldige, daß du warten mußtest«, |253| sagte Pekkanen lebhaft, und dann tauschten sie Neuigkeiten aus.
Es stellte sich heraus, daß ein heftiger Schneeschauer den Verkehr in Buenos Aires völlig zum Erliegen gebracht hatte. Siren freute sich, die Stimme seines Freundes zu hören.
»Du, Matti, ich würde dich um einen kleinen Gefallen bitten.«
»Und was wäre das?«
Siren bat Pekkanen, um zehn Uhr abends argentinischer Zeit eine bestimmte Adresse im Internet aufzusuchen, die er ihm ganz ruhig vorlas. Dort müßten bis elf Uhr drei Angebote eingehen, in denen die Anzahl von Rosen angegeben wurde. Siren erklärte ihm, daß er die Nachrichten mit den Angeboten eine halbe Minute vor elf ausdrucken sollte, weil man die Seiten bei Tageswechsel in den Vereinigten Staaten aktualisieren würde, und er wußte nicht, nach welcher Zeitzone das erfolgte. Pekkanen könnte die Angebote, die während der letzten halben Minute eingingen, aufschreiben. Schließlich bat er seinen Freund, die Angaben per Fax an seine Mitarbeiter in London zu schicken, und nannte ihm die Faxnummer seines Hotelzimmers. Selbst wenn nicht alle drei Angebote bis elf Uhr eingegangen wären, sollte er alles, was bis dahin vorlag, sofort faxen.
Zunächst war in der Leitung ein Kratzen zu hören, während Pekkanen die Anweisungen aufschrieb, und dann nur noch ein Rauschen.
Siren wußte, wie er seinen Freund, der gerade über die Sache nachdachte, überreden könnte. »Ich weiß, daß meine Bitte merkwürdig erscheint. Aber sie hängt mit einer großen Operation zusammen. Ich dachte, es wäre angenehmer, wenn ich dich anrufe und nicht die Aufklärungsabteilung«, sagte er.
|254| »Die Stunde kann ich mich hier schon noch bereithalten, ich habe heute abend frei. Aber warum müssen die Angebote aus Argentinien geschickt werden?« erkundigte sich Pekkanen verwundert.
»Aus bestimmten Gründen müssen wir zu verstehen geben, daß wir einen argentinischen Kontakt haben. Und das wird ganz unauffällig bewiesen, wenn auf deinem Fax Argentinien als Absenderland zu erkennen ist. Beim nächsten Mittsommerfest in Karjalohja kann ich dir in der Rauchsauna ausführlicher erzählen, worum es hier geht.«
»Ja, oder beim großen Sommerfest der Gemeinde. Es wäre langsam Zeit, daß auch du wieder in den Schoß der Gemeinde zurückfindest.«
Die
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