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Finnisches Blut

Finnisches Blut

Titel: Finnisches Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Hosenknopf, der ihn einschnürte. Die Pizza war in seinem Magen aufgequollen.
    Er würde erfahren, wem die Blutröhrchen übergeben werden sollten, wenn er die Büros aller drei Terrororganisationen überwachen ließ. Der Überbringer der Blutröhrchen dürfte jedoch nicht festgenommen werden. Denn falls er nur ein Bote war, würde sich der Haupttäter aus dem Staube machen. Ließ man den Überbringer hingegen unbehelligt, führte er seine Beschatter möglicherweise zu seinen Komplizen.
    Die Röhrchen mit dem Blut könnten Ketonens Helfer in London den Terroristen sofort wieder abnehmen. Dabei würden sie in Erfahrung bringen, wo die erste Rate ausgezahlt werden sollte, und könnten anstelle der Terroristen dort erscheinen. So würde man einen Teil der Täter erwischen.
    Wenn der Hauptschuldige aber nicht am Ort der Geldübergabe auftauchte? Ketonen mußte erfahren, wer der Kopf der Operation war. Wenn jemand wußte, wer den Plan für den Verkauf der Viren und des Gegenmittels ausgearbeitet hatte, dann war es Vairiala. Ketonen beschloß, ihn anzurufen, auch mitten in der Nacht.
    Das Gespräch war kurz und verworren. Vairiala sprach undeutlich, und im Hintergrund hörte man Stimmengewirr. Als |258| Ketonen das Ebola-Helsinki-Virus erwähnte, entgegnete Vairiala schroff, daß er darüber kein Wort sagen könnte, und brach das Gespräch ab. Ketonen versuchte noch einmal anzurufen, aber es meldete sich niemand mehr.
    Ketonen wurde nervös und zündete sich eine Zigarette an. Jetzt war er gezwungen, zu harten Mitteln zu greifen. Es gab einen Weg, den Haupttäter schon vor der Übergabe der Blutröhrchen zu fassen. Das würde jedoch bedeuten, daß er einen groben Verstoß gegen die Dienstvorschriften begehen mußte. Was war wichtiger: seinen Chefsessel zu behalten oder das Leben zahlloser Menschen zu retten? Er hatte ja nicht viel zu verlieren, überlegte er, um sich Mut zu machen. Und wenn man in einer staatlichen Behörde gefeuert wurde, verlor man in Finnland nicht einmal seine Pensionsansprüche wie in einigen anderen Ländern. Er wußte natürlich, was eine Entlassung für ihn, einen einsamen Workaholic kurz vor dem Rentenalter, bedeuten würde.
    Ketonen traf seine Entscheidung. Er starrte einen Augenblick vor sich hin, nahm den Telefonhörer und drückte die Schnellwahltaste.
    »Zentrale«, sagte eine energische Männerstimme.
    »Hier Ketonen. Wer gehört zu der Gruppe, die Bereitschaft hat?«
    »Pekonen und Lindström und als Fahrer Somerto.«
    »Hat Tissari Bereitschaft?«
    »Er ist gerade von einem Einsatz gekommen und dürfte noch im Haus sein. Auf jeden Fall kann er nicht weit weg sein«, antwortete der Diensthabende prompt.
    »Gib Tissari, Somerto und Lindström den Befehl hierherzukommen. Der Code ist Rot«, sagte Ketonen ganz ruhig und beendete das Gespräch. Zum Glück gab es heutzutage die |259| Möglichkeit, rund um die Uhr ein bewaffnetes Kommando in Bereitschaft zu halten. Durch die Mitgliedschaft in der EG war auch in Finnland die Terrorabwehr eine gesetzlich begründete Verpflichtung geworden, was in der Praxis bedeutete, daß die SUPO mehr Mittel erhielt.
    Ketonen ging gemächlich in den schallisolierten Beratungsraum A 310 und wartete auf seine Männer. Mit Oberinspektor Risto Tissari arbeitete er seit etwa zwanzig Jahren zusammen. Jetzt war er Chef der Sicherheitsabteilung und verfügte über mehr Erfahrungen bei Einsätzen in der Praxis als jeder andere in der SUPO. Somerto und Lindström waren jünger als Tissari, aber dennoch gestandene Ermittler, die ihre Zuverlässigkeit schon oft genug unter Beweis gestellt hatten.
    Als die Männer eintrafen, erzählte ihnen Ketonen so viel, wie er für richtig hielt. Sie durften die Gründe für den Auftrag nicht erfahren, bevor der Abteilungsleiter Polizei im Ministerium, der Innenminister oder der Präsident die Operation im nachhinein genehmigt hatte. Er wollte die Zukunft seiner Mitarbeiter nicht gefährden und gab ihnen sein Wort, daß die Operation absolut begründet war und keine nachteiligen Folgen für sie haben würde.
    Ketonen versuchte beruhigend auf seine Männer zu wirken, obwohl er dazu nicht verpflichtet gewesen wäre. Er wußte, wie aufreibend es für die Psyche war, oft völlig widersinnige Dinge tun zu müssen, ohne die größeren Zusammenhänge zu kennen, in die sich die einzelnen Aktionen einordneten. Eines der Grundprinzipien der Aufklärung war es aber eben, daß jeder nur genau so viel wußte, wie für seine Aufgabe erforderlich war.

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