Finnisches Blut
Er hoffte auch, daß seine Männer ihren Auftrag besser bewältigten, wenn sie sich keine Sorgen zu machen brauchten, ob sie zu alldem überhaupt befugt waren. Zum Schluß schaute |260| er abwechselnd die drei Männer, die vor ihm saßen, bedeutungsvoll an. Über die Wichtigkeit des Auftrags durfte es bei keinem Unklarheiten geben.
Das Einsatzkommando stand auf und verließ den Raum, Tissari ging als letzter. In der Tür drehte er sich um und schaute seinem Vorgesetzten in die Augen. Ketonen stand da, erwiderte den Blick und nickte dabei fast unmerklich. Tissari schloß die Tür hinter sich.
Jetzt geschah schon so viel an mehreren Fronten, daß Ketonen allmählich den Streß spürte. Warum gab es immer entweder zuwenig oder zuviel Arbeit? Er legte wieder die Füße auf den Tisch. Er hatte nur einen Mann in London, den er brauchte, um den Haupttäter festzunehmen und vielleicht auch die Geldübergabe zu verhindern. Irgendwo mußte er zur Überwachung der Terroristen und der Biowaffenverkäufer und für unvorhersehbare Fälle Unterstützung bekommen. Ketonen wollte aber die ganze Geschichte nicht irgendeinem fremden Nachrichtendienst erklären. Der Ruf der finnischen Aufklärung wäre dahin, wenn diese Informationen verbreitet würden. Beziehungen zu nutzen war nicht gerade seine starke Seite, doch jetzt mußte es sein.
Die innere Sicherheit und Aufklärung in Großbritannien gehörten zum Aufgabenbereich des MI 5, doch dort hatte Ketonen nicht genügend persönliche Kontakte. Den Kommandeur der Eliteeinheit der britischen Armee, des Special Air Service SAS, Brigadegeneral Sir George Howell, kannte Ketonen hingegen gut. Wiederholt hatte er dem Briten bei Problemen geholfen, die mit Rußland zusammenhingen. Howell könnte er vertraulich um Unterstützung bitten, genauso wie der es zuweilen getan hatte.
Der SAS war auf Kommandounternehmen hinter den feindlichen |261| Linien und auf Antiterroroperationen spezialisiert. Ketonen war sicher, daß die Überwachung von drei Adressen in London dem SAS keine Probleme bereiten würde. Er kämmte seine grauen Haare, zündete sich eine Zigarette an und griff zum Telefon.
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Die Männer des Einsatzkommandos gingen in der zweiten unterirdischen Etage des Hauptgebäudes der Sicherheitspolizei an den Garagen, am Schießstand und Fitneßraum vorbei. Als sie den Bereitschaftsraum erreichten, klingelte das Telefon. Die Zentrale teilte mit, daß sich die Zielperson im Ständehaus auf der Jahresfeier des Lions Club befand. Was sie anschließend vorhatte, war nicht bekannt. Die Adresse der Zielperson lautete: Kielotie 20, Iivisniemi. Es handelte sich um ein Eigenheim auf einem kleineren Grundstück, keine Überwachungskameras. Küche, Wohnzimmer und Kinderzimmer im Obergeschoß, Kaminzimmer, Sauna, Hauswirtschaftsraum und Schlafzimmer der Eltern im Untergeschoß. Das Haus lag am Hang und hatte deshalb auf der Vorderseite nur ein Stockwerk. Bewohnt wurde es von der Zielperson, deren Ehefrau, zwei Kindern im Alter von drei und fünf Jahren sowie einem ausgewachsenen Dobermannrüden.
Tissari notierte die Angaben. Dann legte er den Hörer auf, setzte seine Vorbereitungen fort und gab die Informationen an seine Kollegen weiter. Als alle fertig waren, besprachen sie noch kurz ihre Taktik und stiegen schließlich in ihren Wagen.
Der schwarze Opel Omega glitt leise bis zur Ecke von Rauhankatu und Snellmaninkatu und hielt an. Lindström beobachtete mit dem Fernglas den Ausgang des Ständehauses, durch den dann und wann jemand herauskam. Das Warten |263| schien eine Ewigkeit zu dauern, und die Stimmung im Auto war angespannt.
Das Aufheulen eines Porsche durchbrach die Stille.
»Eine Penisprothese wäre billiger«, knurrte Somerto, als er den Fahrer des Sportwagens erblickte. Um zwei Uhr zwanzig ließ Lindström endlich das Fernglas sinken: »Die Zielperson kommt die Treppe herunter.« Somerto startete den Wagen. Die Zielperson blieb vor dem Ständehaus stehen. Auf der Straße befanden sich einige Fußgänger, so daß Tissari nicht wagte, den Einsatzbefehl zu erteilen. Ein schwarzer Saab hielt vor dem Gebäude, und die Zielperson stieg hinten ein.
»Scheiße, der hat einen Fahrer«, fluchte Tissari und schnaufte.
»Und Helfer«, ergänzte Lindström.
»Habt ihr etwa geglaubt, jemand feiert bis halb drei, wenn er dann noch fahren muß«, entgegnete Somerto giftig.
Sie folgten dem Wagen durch das Zentrum bis zum Anfang des Länsiväylä. Als sie in Richtung Iivisniemi abbogen, schaute
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