Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
des Hubschraubers dröhnte schon ganz in der Nähe. Der Russe fasste einen Entschluss und zog sichzur Treppe zurück, den Blick auf Tommilas Waffe geheftet. Er wollte nicht von der Hand eines finnischen Rotzjungen sterben. An der Treppe duckte er sich überraschend, sprang zur Seite und auf die Stufen. Ein Schuss war nicht zu hören. Der finnische Feigling traute sich nicht einmal, auf seinen Folterer zu schießen.
Sterligow stürmte die Treppe hinauf und rannte von einem Fenster zum anderen. Nichts war zu sehen, aber irgendwo am Himmel dröhnte der Hubschrauber. Sollte der die verlassene Hütte auf Grund eines Hinweises überprüfen, oder war es diesem verdammten Ratamo doch gelungen, irgendeinen Sender mitzubringen.
Es dauerte unerträglich lange, bis Tommila seine zitternden Hände endlich soweit unter Kontrolle hatte, dass er Ratamos Fesseln lösen konnte. Ratamo fragte, ob er in dem Haus noch andere Waffen gesehen hatte, und Tommila wies mit dem Kopf auf Sterligows Tasche. Eine der Pistolen war eine Smith & Wesson, zwar ein anderes Modell als Ratamos Dienstwaffe, aber er entschied sich für sie. Er würde Sterligow genau so ruhig erschießen wie einen Pappkameraden auf dem Schießstand. Für eine Sekunde tauchte Nellis Bild vor ihm auf, und er zögerte kurz, stürmte dann aber zur Treppe.
Sterligow fluchte, weil er alle Waffen in den Keller gebracht hatte. Doch das Nachtsichtgerät lag auf dem Küchentisch, und im Auto war eine Reservewaffe versteckt. Er schloss die Augen und sah vor sich die Einzelheiten des umliegenden Geländes. Im Hubschrauber befand sich möglicherweise eine Wärmebildkamera. Wenn er unbemerkt durch die Tür hinauskäme, könnte er sich von Baum zu Baum bewegen, so würde die Kamera ihn nicht erfassen. Er musste es bis zum Auto schaffen. Wenn er sich ohne Waffe versteckte, würde man ihn leicht fassen, falls das Gelände umstellt und durchkämmt wurde. Sterligowschüttete drei Methadon-Pillen auf die Hand und steckte sie in den Mund, als würde er die Schmerzen schon ahnen.
Wrede saß auf dem Platz des Co-Piloten in einem Hubschrauber der Grenzwacht und starrte auf den Monitor der Wärmebildkamera. Unter seinem Befehl stand ein acht Mann starkes Einsatzkommando der SUPO, eine Hundestaffel, das Sondereinsatzkommando »Karhu« der Polizei und ein auf Geiselnahmen spezialisierter Psychologe der Kriminalpolizei. Wrede trug über der Winterjacke der Polizei eine blaue Weste, auf deren Rückseite in großen weißen Buchstaben zu lesen war: POLIZEI, Einsatzleiter. Aus diesem Hinterhalt würde nicht einmal Igor Sterligow herauskommen, schwor er sich. Zu verdanken hatten sie das Ketonens Findigkeit. Eine der Pillen, die Ratamo im Bereitschaftsraum geschluckt hatte, enthielt einen Mikrochip, der alle fünf Minuten ein Signal aussendete. Der Sender schwamm in einer mit Gel gefüllten unverdaulichen Kapsel im Magen und konnte dort mit keinem Scanner entdeckt werden. Es sei denn, er sendete sein Signal gerade, wenn die Überprüfung im Gange war. Das Risiko hatte Ketonen jedoch eingehen müssen. Die digitale GPS-Ortung mit Hilfe von Satelliten gab die Position des Senders in Ratamos Magen mit einer Genauigkeit von unter zwei Metern an. Ein Spürhund der Polizei fand dann Tommilas Geruch in der Umgebung der Waldhütte. Ketonen hatte Ratamo von dem Sender nichts sagen wollen. Was er nicht wusste, konnte er auch nicht verraten.
Ratamo hob die Waffe mit ausgestreckten Armen und zielte auf Sterligow, der an der Tür stand. Ein berauschendes Gefühl der Allmacht erfüllte ihn. Es erschien ihm unglaublich, dass er die Macht hatte, zu töten. Oder doch nicht? Wer hatte ihm diese Macht gegeben? Aber Sterligow hatte zahllose Menschenumgebracht und würde es jederzeit wieder tun, wenn es ihm gelang, zu fliehen. Also befreite er die Welt von einem Parasiten, wenn er schoss. Wie viele Ähnlichkeiten gab es zwischen ihm und Sterligow?
Der Russe öffnete die Haustür einen Spalt. Mit dem Nachtsichtgerät konnte er seinen Wagen sehen, der wärmer war als die Umgebung, aber den Hubschrauber entdeckte er nicht, obwohl ihm das Geräusch des Rotors in den Ohren dröhnte. Er atmete ein paarmal tief durch und rannte dann hinaus auf den Pfad, der von der Hütte weg führte. Nach sechs Schritten blendete ihn grelles Licht. Es war unmöglich, sich zu verstecken. Er musste es bis zum Auto schaffen. Sterligow geriet nicht in Panik, er hatte Schlimmeres erlebt. Dann hörte man das Gebell von Hunden, er drehte sich um
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