Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
fragte sich, ob er als Rentner den Menschen vertrauen könnte oder bis zu seinem Tode jeden für einen mutmaßlichen Täter hielt.
Vor dem Restaurant »Elite« musste Riitta Kuurma mit einer heftigen Bewegung des Lenkrads einem betrunkenen jungen Mann ausweichen, der auf die Runeberginkatu schwankte.
Ketonen war stolz auf seine Mitarbeiter. Sie hatten glänzende Arbeit geleistet: Riitta Kuurma, als sie aufdeckte, dass Simo Tommila der »Hund« war, Ratamo bei seiner erfolgreichen Flucht vor der Frau in der Kalevankatu und Wrede als Leiter des Einsatzes in Nurmijärvi. Ihm unterstanden drei Top-Ermittler. Plötzlich wurde ihm klar, dass er todmüde war. Früher hatte der Adrenalinrausch dazu geführt, dass er tagelang wie ein Perpetuum mobile funktionierte, jetzt war er schon nach einigen Stunden müde. Es schien so, als würde er den Stress als Chef nicht mehr lange aushalten.
Der Omega bog von der Topeliuksenkatu ab und hielt bei der Notaufnahme. Ratamo saß auf einem Stuhl an der Tür, bibberte vor Kälte und blies warme Luft auf seine zitternden Hände. Seine Unterlippe war mit ein paar Stichen genäht. Riitta Kuurma hätte ihn am liebsten umarmt. Wieder war Arto als Köder benutzt worden. Zum Glück hatte sie ihn diesmal nicht belogen.
»Wisst ihr es schon?«, rief Ratamo, obwohl seine Kollegen noch weit entfernt waren. Er hatte im selben Augenblick auf Sterligow geschossen, in dem sich das Gelände vor der Hütte in ein Feuermeer verwandelte. Sterligow war durchlöchert worden wie ein Nadelkissen, aber Ratamo fürchtete dennoch, dass gerade seine Kugel den Mann getötet hatte. Er fühlte sich als Mörder. Es schien so, als hätte er sich etwas ganz anderes bewiesen als beabsichtigt. Eines Tages würde er klären, was es war.
Riitta Kuurma versuchte Ratamo zu beruhigen. Die auf Sterligow abgefeuerten Geschosse könnten erst nach der Obduktion untersucht werden. Sie erzählte ihm, wie Tommila an den Ereignissen beteiligt war und dass man von dem Computer in der Hütte einen gewaltigen Raub verübt hatte.
Ratamo wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Um ein Haar hätte er Nelli zur Waise gemacht, und das, um einen Kriminellen zu retten! Er hatte Sehnsucht nach seinem Kind, zum Glück war Marketta bei ihr.
Die SUPO-Mitarbeiter marschierten in die Ambulanz hinein und zeigten ihre Dienstausweise. Riitta Kuurma musste ihr ganzes diplomatisches Geschick aufbieten, damit der diensthabende Arzt ihnen eine halbe Stunde Zeit gab, um Tommila zu verhören. Ketonen ließ sein Handy an, obwohl es der Arzt verboten hatte.
Tommila lag auf dem Rücken, schlief und schnaufte wie ein Wasserscooter. Ratamo überlegte, was wohl den Geruch in einem Krankenhaus verursachte: die Desinfektionsmittel, die Medikamente oder die Patienten. Er brannte darauf, zu hören, was Tommila zu sagen hatte.
Die Internationale erklang feierlich, und Tommila wachte auf. Ketonen meldete sich am Handy und hörte aufmerksam zu.
Tommilas Blick irrte eine Weile von einem SUPO-Mitarbeiter zum anderen, dann beklagte sich der junge Mann: »Verdammt, könnt ihr einen nicht mal in Ruhe schlafen lassen!«
Ketonen beachtete Tommila überhaupt nicht. Er steckte das Telefon in seine Brusttasche. »Wredes Männer haben den Tatort untersucht. Die Umgebung wird überprüft, sobald es hell wird«, berichtete er seinen Kollegen und kämmte sich die grauen Haare aus der Stirn.
»Wusstet ihr, dass Kamm auf Japanisch Kusi 1 heißt?«, sagte Tommila in schroffem Ton. Er befand sich nach Auskunft des Arztes in einem leichten Schockzustand, fühlte sich aber dank der Beruhigungsmittel gut. Der Pyjama war warm, man hatte ihn gewaschen, und die starken Medikamente betäubten den Schmerz. Das orangefarbene Licht und der Geier gehörten zu einem Alptraum, den er rasch vergessen wollte.
Ketonen zog den Besucherstuhl an das Kopfende des Bettes und starrte den Patienten eine Weile an. »Spiele hier nicht den Clown, Junge. Du wolltest bei den Großen mitmischen und bist erwischt worden. Wir wissen, dass du der ›Hund‹ bist und in Nurmijärvi einen Diebstahl mit einer Beute von etlichen Millionen Finnmark begangen hast«, sagte er ganz ruhig.
»Was für ein Hund? Was reden Sie da für Unsinn. Ich war nur ein paar Minuten frei und habe es gerade noch so geschafft, der SUPO eine Nachricht zu schicken«, stammelte Tommila verschlafen. Ketonen riss der Geduldsfaden, er packte den Patienten am Kragen der Pyjamajacke und schüttelte ihn.
Riitta Kuurma legte die Hand
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