Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
als Gemeinschaftsarbeit von DataNorth und einer Firma namens Finn Security entstanden. SH-Secure habe nur das Chiffrierungsverfahren geliefert, das heißt den Algorithmus.
»Woher kommen diese Namen?«, unterbrach ihn Riitta Kuurma.
Tommila räusperte sich. »Hm. Sie scheinen die Geschichte der Verschlüsselungstechnik nicht zu kennen. Mit dem Namen Inferno wird Horst Feistel die Ehre erwiesen, der den ersten nationalen Chiffrierungscode der USA entwickelt hat – den Luzifer-Algorithmus. Der Name Charon ergab sich dann automatisch. Das Programm ist ja eine Art Fährmann: Es bringt den Nutzer in das Datensystem des Unternehmens, so wie Charon die Toten in den Hades.«
Überraschenderweise erinnerte die Sprache des Computerfachmanns Riitta Kuurma an die Sommerferien ihrer Kindheit bei einem Onkel im südschwedischen Schonen. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Der Computerslang ähnelte Onkel Askos Dialekt: Man verstand nur die Hälfte. Aber zum Glück war das nicht ihr Bier, denn Anna-Kaisa saß ja neben ihr. Tommila fuhr in seinen Erläuterungen fort. Die Verschlüsselungstechnologie war eines der wichtigsten Gebiete der IT-Branche. Ihre Entwicklung würde die Zukunft der Informationstechnologie entscheiden: Was für Dienstleistungen per Telefon würde man künftig anbieten, und wie umfangreich würde der Internet-Handel werden. Ohne idiotensichere Verschlüsselungsverfahren könnte niemand Computerprogramme oder das Internet verlässlich nutzen. »Schon jetzt sind alle wichtigen Institutionen von Computern abhängig: Armeen, Handel, Banken, Staaten – alle. Deshalb hat die Datensicherheit so eine enorme Bedeutung.« Damit beendete Tommila seine Vorlesung.
Hatte der junge Mann Protaschenko die Daten gegeben, überlegte Riitta Kuurma. Waren sein ausweichender Blick und das unhöfliche Benehmen Anzeichen von Angst? Wohl kaum. In der Computerbranche wimmelte es von jungen Leuten, die besser mit Maschinen zurechtkamen als mit Menschen.
Anna-Kaisa Holm hatte genug gehört. Es war Zeit, zur Sache zu kommen: »Wissen sie, an wen das Inferno, von dem diese Daten stammen, verkauft worden ist?« Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie Tommila eine Kopie der Unterlagen reichte, die man bei Protaschenko gefunden hatte. Wenn sie sich mit jemandem traf, war sie immer aufgeregt, aber selten so sehr wie jetzt. Immerhin war Simo Tommila eine Ikone der finnischen IT-Profis.
»O verdammt! Solche technischen Details werden nicht an die Kunden herausgegeben. Wie sind die in die falschen Hände geraten? Und was sind das für merkwürdige Notizen?«
Jetzt schien Tommila wirklich verblüfft zu sein, bemerkte Riitta Kuurma. Überraschte es ihn, dass es jemandem gelungen war, die Daten zu stehlen, oder dass sie sich in den Händen der SUPO befanden? »Die handgeschriebenen Eintragungen stammen also nicht von hier?«
»Ganz sicher nicht. Das muss irgendeine Sprache aus dem Fernen Osten sein. Unter denen, die an Inferno mitgearbeitet haben, gab es keinen einzigen Asiaten.« Tommila untersuchte die Dokumente eine Weile und beruhigte sich anscheinend wieder. »Diese Unterlagen sagen nichts über den Dieb aus. Oder über die Gründe für den Diebstahl. Das Inferno-Programm sieht bei jedem Kunden gleich aus. Und dieses Stück Code hat überhaupt nichts mit Inferno zu tun.«
Die SUPO-Mitarbeiterinnen beobachteten, wie Tommila den etwa fünfzehn Zentimeter langen Code betrachtete, und schauten einander enttäuscht an.
»Was könnte das dann sein?«, fragte Anna-Kaisa Holm nach. »Keine Ahnung. Ein Stück von einem Sourcecode, ein Kennwort oder wer weiß was …«
»Wer alles könnte die Dokumente anderen übergeben haben?«, fragte Riitta Kuurma und verfolgte Tommilas Reaktion genau.
»Vollständig kennen nur die Inferno-Verantwortlichen der beteiligten Firmen das Verschlüsselungsprogramm«, antwortete der junge Mann. Also er selbst, Pauliina Laitakari von Finn Security und Timo Aalto von SH-Secure. Die beiden hätten die wichtigsten Teile von Inferno kodiert und er habe die Einzelteile zu einem Ganzen zusammengefügt.
Riitta Kuurma trank gerade Kaffee und hätte sich um ein Haar verschluckt, als sie den dritten Namen hörte. Sie erkundigte sich, ob dieser Timo Aalto ein etwa fünfunddreißigjähriger Mann sei, der gern Vögel beobachtete. Tommila nickte. Timo Aalto war Arto Ratamos bester Freund. Im vorletzten Sommer hatte Ratamo mehrmals von seinem Kumpel gesprochen, der so einen einprägsamen Rufnamen hatte –
Weitere Kostenlose Bücher