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Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)

Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)

Titel: Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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US-Kernwaffenprogramm an China gefasst worden war. Daraufhin hatten die USA die Überwachung ihrer Spitzentechnologieunternehmen extrem verschärft, und Guoanbu war gezwungen gewesen, auf andere Länder auszuweichen, die in der Informationstechnologie eine Vorreiterrolle spielten. Ihn hatte man nach Finnland abkommandiert. Die Machthaber hinter den Mauern von Zhongnanhai in Peking erwarteten voller Ungeduld Ergebnisse. Tang legte seine Stäbchen auf den Porzellanteller, wischte sich den Mund am Ärmel ab und klopfte mit dem Finger auf den Rand des hölzernen Schachbretts.
    Irina wickelte Machorka in Rizla-Papier, leckte den Rand an und rollte die Zigarette mit den Fingern, bis die dichte, feste Samokrutka fertig war. Verglichen mit ihrem kräftigen, vollen und würzigen Geschmack erinnerte der dünne Rauch westlicher Zigaretten an Wasserdampf. Sie betrachtete ihren Arbeitgeber mit undurchdringlicher Miene und dachte einmal mehr, dass sein aufgedunsenes und rundes Gesicht wie daseines Riesenbabys aussah. Irina hasste an Tang alles. Der fette Aufklärungschef hatte schlechte Manieren, trank zu viel, stank nach Schweiß und behandelte Frauen wie Gegenstände. Wenn sie mit ihm schlief, wurde ihr übel. Manchmal schämte sie sich, was sie alles zu tun bereit war, nur um des Geldes und der Karriere willen. Aber die Befriedigung von Tangs Gelüsten war der Preis für die Macht. Der Mann tanzte nach ihrer Pfeife wie ein Zirkuspferd. Irina hoffte, dass sie bald die Gelegenheit erhalten würde, sich seiner noch schamloser zu bedienen, als er es mit ihr tat.
    Die Musik war zu Ende, und Tang ließ die CD noch einmal laufen. Wenn Li Xiangting auf der Qin-Zither uralte chinesische Melodien spielte, fühlte er sich wie zu Hause in Harbin. Doch auch die Musik ließ ihn nicht vergessen, was für eine Katastrophe Protaschenkos Tod bedeutete. Die Idee zu dem Datendiebstahl stammte von dem Russen. Vor einem Jahr hatte er dafür den »Hund« angeworben, einen finnischen Topexperten. Irgendwie war es dem »Hund« gelungen, in das Authentifizierungssystem Charon des Inferno-Programms der National Bank eine versteckte Hintertür einzubauen, durch die man Zugang zu den Konten aller Kunden des Wiremoney-Programms der Bank erhielt.
    Wiremoney war das mit Windows arbeitende Programm der National Bank für den elektronischen Zahlungsverkehr von Unternehmen und Privatkunden. Man konnte es von jedem Internetanschluss aus nutzen. Es akzeptierte fast alle bekannten Valuten, und mit ihm ließ sich Geld weltweit an nahezu jede beliebige Bank überweisen.
    Wer diese Hintertür kannte, hatte ausreichend Zeit, in Wiremoney sein Unwesen zu treiben und eine Milliarden-Beute zu machen. Zu stehlen gäbe es bei der National Bank genug. Das Aktienkapital der drittgrößten Bank der Welt und der zweitgrößtender USA betrug fünfundvierzig Milliarden Dollar und der Gewinn im Vorjahr belief sich auf 6,9 Milliarden Dollar. Die National Bank besaß eintausendeinhundert Filialen und dreitausendzweihundert Bankautomaten in vierundvierzig Ländern. Sie hatte über zehn Millionen Kunden beim Onlinebanking. Insgesamt verfügten all ihre Kunden über neunundachtzig Millionen Kreditkarten und fünfundzwanzig Millionen Konten.
    Vor einer Woche hatte Protaschenko die für den Raub erforderlichen Kontendaten und Kundennummern hunderter Kunden der National Bank von einem bestochenen Angestellten der Bank erhalten.
    Am Montag hatte der »Hund« Protaschenko in Miami technische Daten von Inferno und Charon übergeben. Und das Passwort, einen langen Code, mit dem man durch die Hintertür Zugang zu Wiremoney erhielt. Ohne das Passwort ließ sich die Hintertür nicht benutzen, doch jetzt befand es sich nach den Informationen der Technologieabteilung von Guoanbu in den Händen des FBI und der SUPO. Der Fall Inferno steckte in einer Sackgasse.
    »Ganbei«, sagte Tang wie gewohnt und trank ein Glas Qingdao-Bier. Aus Peking wurden jede Woche zwei Kästen des Getränks geschickt, das seinen Durst stillen sollte.
    Wenn Tang wüsste, wer der »Hund« war, hätte er sich das Passwort mit allen Mitteln noch einmal besorgt. Aber für die Inferno-Operation war Protaschenko verantwortlich gewesen, und der hatte alle Informationen zu diesem Fall und zum »Hund« auf neurotische Weise geheim gehalten wie ein eifersüchtiger Liebhaber. Alle für Guoanbu wichtigen Informanten bekamen Decknamen, aber die Angaben zur Person hätten in einem als geheim eingestuften Ordner gespeichert werden

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