Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Grund dafür sein könnte: War es eher die Angst, gefasst zu werden, oder die Vorfreude auf das Glück, das die Millionen mit sich brächten, die schon greifbar nahe schienen?
Ihr Plan war noch nicht fertig. Sie musste sich noch etwas einfallen lassen, wie sie das Passwort besorgen könnte, ohne erwischt zu werden. Irina schob die Dame auf e7. Das S zischte wie meist bei Russen, als sie auf Englisch sagte: »Schach und matt.«
Sie lächelte nicht. Dafür gab es noch keinen Anlass.
6
Das Foyer des neuen zwölfstöckigen Bürogebäudes von Data-North reichte bis zum Glasdach hinauf, durch das die Januarsonne hereinschien. Schräg unter dem Dach befestigte große Spiegel reflektierten jeden Sonnenstrahl nach unten. Riitta Kuurma setzte sich auf dem Sofa zurecht und warf einen Blick auf Anna-Kaisa Holm, die an einem Fingernagel kaute. An diesemTag trug Riitta einen lachsfarbenen Blazer und ihre besten Jeans, das nussbraune Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. So fast puppenhaft nett richtete sie sich nur selten her. In der Regel trug sie ihr Haar offen und bevorzugte Kleidungsstücke, in denen sie sich wohl fühlte.
Mit den Fingerspitzen bewegte sie ihr Perlenband und rätselte dabei, was wohl die gewaltige Rauminstallation darstellen mochte, die inmitten des lichtüberfluteten Foyers mit Stahlseilen befestigt war. Der Hauptsitz von DataNorth in Ruoholahti war protziger als erwartet, obwohl sie natürlich wusste, dass die Firma im Geld schwamm. Ihr Reingewinn betrug im Vorjahr fast zwei Milliarden Finnmark.
»Haben Sie einen Termin bei Direktor Tommila?«, fragte jemand freundlich, als die große Uhr im Foyer genau dreizehn Uhr anzeigte. Das dunkelblaue Leder des Design-Sofas knarrte, während sich Riitta Kuurma umdrehte, um zu sehen, wer sie angesprochen hatte. Eine elegant gekleidete Frau mittleren Alters lächelte sie an. Die beiden Ermittlerinnen zeigten ihre Dienstausweise.
Auf dem Weg nach oben bemerkte Riitta Kuurma, dass die Sicherheitsvorkehrungen der Firma erstklassig waren. Der Aufzug funktionierte nur mit einem Schlüssel, Kameras und Bewegungsmelder überwachten jeden Winkel der Räume, und auf den Gängen gab es viele Zwischentüren, die elektronisch mit einem fünfstelligen Code geöffnet wurden.
Die Sekretärin begleitete die SUPO-Mitarbeiterinnen bis in ein großes, modern eingerichtetes Eckzimmer in der elften Etage, stellte Tassen auf den Beratungstisch, goss Kaffee ein und verließ den Raum. Überall standen Monitore, Festplattenlaufwerke, Drucker und auch Geräte, die Riitta Kuurma nie zuvor gesehen hatte.
»Bin gerade beim Kodieren. Damit ich meine Lieblingsbeschäftigungnicht verlerne. Was wollen Sie?« Simo Tommila sprach wie zu sich selbst und wandte sich erst seinen Gästen zu, als Riitta Kuurma sich und ihre Kollegin vorstellte.
Tommila sah mit seinen glatten mausbraunen Haaren und dem blassen Gesicht wie ein zu alt geratener Pfadfinder aus. Er trug ein weißes Hemd ohne Krawatte. Sein Gesicht schmückten lange flaumartige Barthaare und etwas dichtere Koteletten, seine rauhen Wangen waren leicht gerötet. Riitta Kuurma vermutete, dass Tommila im Teenageralter eine schlimme Akne gehabt hatte. Der junge Mann entsprach nicht ihrer Vorstellung vom technischen Direktor eines Milliardenunternehmens. Sie wunderte sich, dass Tommila so unfreundlich war. Der Generaldirektor hatte doch versprochen, ihn auf das Gespräch vorzubereiten. Rasch erklärte sie ihm den Grund für ihren Besuch.
»Entschuldigung, wenn ich nicht so aussehe, als würde mich das interessieren. Das tut es nämlich wirklich nicht«, entgegnete Tommila.
Der junge Mann grinste unsicher, und Riitta Kuurma musste gegen ihre Verärgerung ankämpfen. So einen unhöflichen Burschen hatte sie schon lange nicht mehr erlebt. Bloß nicht aufregen, sagte sie sich. Am besten war es, wenn sie sofort zur Sache kam. »Was haben Sie in Miami am Montagvormittag zwischen neun und elf Uhr gemacht?«
Tommila strich über seinen Bartflaum und sagte schließlich, er habe lange geschlafen, seine Sachen gepackt und dann gegen Mittag ein Taxi zum Flughafen Miami International genommen. Mit der Maschine um dreizehn Uhr fünfunddreißig sei er nach New York geflogen und von dort nach Helsinki.
Die Antwort klang ehrlich, fand Riitta Kuurma. Sie nickte Anna-Kaisa Holm zu, die Tommila höflich bat, über Inferno und Charon zu berichten.
Der junge Mann erläuterte die grundlegenden Fakten zu Inferno. Das Programm sei in der Hauptsache
Weitere Kostenlose Bücher