Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
könnte jemand, der in Vietnam gelebt hatte, etwas zwischen den Zeilen lesen. Zum Schluss bat Ketonen ihn wie beiläufig, mit Timo Aalto über den Fall Inferno zu sprechen.
Ratamo war verwirrt. Befahl man ihm etwa, seinen besten Freund auszuspionieren? Er wollte schon protestieren, beschloss dann aber, lieber zu schweigen. Wenn Himoaalto nun doch schuldig war? In den letzten Jahren hatte sich der stets entspannte und lockere Computerfreak und Hobby-Ornithologe in einen gestressten Geschäftsmann verwandelt. Oder warTimo einfach nur erwachsen geworden? Schockiert stellte Ratamo fest, dass er seinen Kindheitsfreund verdächtigte – dabei kannte er den Mann doch durch und durch. Oder nicht? Wie gut konnte man einen anderen Menschen überhaupt kennen? Er selbst sagte ja auch kein Sterbenswörtchen über das, was er tief in seinem Innern dachte. Ihm entging nicht, dass Riitta Kuurma ihn anstarrte, er tat aber so, als würde er es nicht bemerken.
Am Ende der Besprechung teilte Ketonen mit, er werde den Abteilungsleiter für Polizei im Innenministerium über den Stand der Ermittlungen informieren. Er fürchtete allerdings, Korpivaara könnte Verbindung zum Außenministerium aufnehmen. Wenn sich die Politiker einmischten, würde das die Arbeit der SUPO nur erschweren. Schließlich schickte er seine Mitarbeiter an die Arbeit.
Ein Mitglied der Ermittlungsgruppe hatte es eilig, über die Besprechung zu berichten. Bei Swerdlowsk wartete man nicht gern.
10
Ein Fanghandschuh flog durch die Luft, als der kanadische Verteidiger von HIFK draufgängerisch in vollem Tempo auf den Torwart der Jokerit auflief, der hinter das Tor gerutscht war. In der Arena-Halle brach ein Sturm los: Die eine Hälfte der Zuschauer des Ortsderbys verlangte lauthals eine Zeitstrafe und die andere klatschte stehend Beifall.
»Der Valtonen ist für den Platz zwischen den Pfosten in der Meisterliga viel zu mager«, sagte der Mann, der neben Ratamo saß. »Selbst mit Bleigewichten auf dem Rücken hat der ja kaum siebzig Kilo.« Ratamo machte sich nicht die Mühe, zu antworten. Es ärgerte ihn, dass die Tribünenexperten immer soerpicht darauf waren, die Spieler zu beschimpfen. Er hatte lange genug selbst Eishockey gespielt, um zu wissen, dass die Männer auf dem Eis ihr Bestes gaben. Auch seinen Nachbar würde man mit der Bahre vom Eis tragen, bevor er den Puck überhaupt berührt hätte. Ratamo besuchte selten Ligaspiele. Es war spannender, selbst zu spielen, als den Tricks der anderen zuzuschauen. Er roch das zum Vereisen verwendete Freon und spürte plötzlich das brennende Verlangen, aufs Eis zu stürmen.
Ratamo feierte in einer Loge mit achtzehn Personen den Jahresabschluss des Unternehmens Fortum und fühlte sich nicht wohl. Er fiel in dieser Gesellschaft auf wie bei der Armee ein Fleischstück in der Erbsensuppe. Die anderen Männer trugen dunkle Anzüge und alle drei Frauen Hosenanzüge. Seit anderthalb Jahren hatte sich Ratamo keinen Schlips mehr umgeschnürt. Wie meist war er in Flanellhemd, Jeans und Boots erschienen. Die sprießenden Bartstoppeln vervollständigten das Bild eines Clochards.
Von den anderen Gästen in der Loge kannte er nur Meri, die Juristin des Unternehmens, mit der er sich seit ein paar Monaten ab und zu traf, sie hatte ihn zu der Feier mitgenommen. Meri war nach Kaisas Tod die erste Frau, mit der er ein Verhältnis hatte. Sie sah attraktiv aus, besaß Humor, war schlagfertig und unkompliziert. Ratamo fragte sich, warum Meri in ihm nicht so eine Hitzewelle auslöste wie er sie in Riitta Kuurmas Nähe spürte. Er machte sich selbst etwas vor, wenn er die Beziehung mit einer Frau fortsetzte, für die er keine anderen Gefühle empfand als Lust, da mochte sie noch so perfekt sein. So etwas würde schließlich doch ein böses Ende nehmen, das wusste er aus Erfahrung. Die Ehe mit Kaisa war oberflächlich gewesen, in der letzten Zeit vor ihrem Tod hatten sie am Rande der Scheidung gestanden.
Der Schiedsrichter pfiff ab. In der Drittelpause tanzten dieCheerleader-Girls auf der Treppe, dabei trugen sie nur knapp sitzende Tops und Miniröcke. Ratamo musste an Nelli denken. Würde er in ein paar Jahren zulassen, dass seine Tochter unter den Augen des Publikums halbnackt herumsprang? Wie würde er mit Nelli zurechtkommen, wenn sie in die Pubertät käme?
Ratamo suchte mit seinem Blick Meri und überlegte, ob andere sofort bemerkten, dass es zwischen ihnen nicht funkte. Doch ihm bereitete noch etwas anderes Kopfzerbrechen: Der
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