Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
möglich, dass der Dieb schon andere Inferno-Daten besitzt?«
Die Ermittlerin strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ja. Und es ist auch möglich, dass es von den Dokumenten, die bei Protaschenko gefunden wurden, mehrere Kopien gibt. Deshalb müssen die Inferno-Verantwortlichen aller drei Unternehmen sofort in die Box genommen werden. Also ständig überwacht werden«, fügte sie erklärend hinzu, weil sie nicht sicher war, ob Holm und Ratamo wussten, was Box hier bedeutete.
Erik Wrede putzte sich seine sommersprossige Nase und musterte Ratamo voller Interesse. Er war dem Mann noch nicht begegnet, hatte aber an den Ermittlungen im Fall Ebola-Helsinki teilgenommen und kannte Ratamos Geschichte. Wrede fürchtete, der ehemalige Virusforscher könnte eine Gefahr für seine eigene Karriere darstellen. Es machte ihn wütend, dass Ratamo dank Ketonen so leicht in die SUPO gekommen war wie ein Verrückter in die Anstalt.
Riitta Kuurma übergab das Wort an Anna-Kaisa Holm und setzte sich. Sie spürte einen Stich, als sie zu Ratamo hinschaute. Mit seinen schwarzen Bartstoppeln und den kreuz und quer stehenden kurzen Haaren sah er wie ein Penner aus. Nicht einmal die kleine rote Narbe auf seiner linken Wange hatte sie vergessen.
Anna-Kaisa Holm wirkte unsicher und berichtete zunächst, dass es nicht möglich sei, in die Dateien von DataNorth einzubrechen. Wenn die Datensysteme von Finn Security und SH-Secure genauso gut geschützt würden, dann könne die Informationen über Inferno nur jemand geklaut haben, der dort arbeitete. Auch laut Statistik fände man in fünfundachtzig Prozent der Fälle von Industriespionage den Schuldigen innerhalb der Unternehmen. Es sah so aus, als hätten die Inferno-Verantwortlichen – Tommila, Laitakari und Aalto – die besten Möglichkeiten gehabt, das Verbrechen zu begehen. Die Zahl der Verdächtigen könnte nach der Befragung der Verantwortlichen von SH-Secure und Finn Security genauer eingegrenzt werden. »Unter den derzeit drei Verdächtigen befindet sich nur eine Frau. Auf der Grundlage der Kalendernotiz Protaschenkos ist Pauliina Laitakari vorläufig unsere Hauptverdächtige.«
Was Ratamo da hörte, traf ihn wie ein Schlag, obwohl Ketonen ihm schon gesagt hatte, dass die Ermittlungen auch Himoaalto betrafen. Aber er hatte nicht gewusst, dass sein Freundim dringenden Verdacht stand, ein schweres Verbrechen begangen zu haben.
Anna-Kaisa Holm legte eine kurze Pause ein und fuhr dann fort: »Ich glaube immer noch, dass der Dieb die Inferno-Daten haben will, um sie entweder zu verkaufen oder um Inferno zu knacken.«
»Wie kann man ein Verschlüsselungsprogramm knacken?«, fragte Wrede verwundert.
»Indem man sich beispielsweise die geheimen Schlüssel von Nutzern beschafft oder in dem Programm eine verborgene Hintertür einbaut.« Holm ließ ihren Blick Zustimmung heischend von einem Kollegen zum anderen wandern.
»Was ist eine Hintertür?«, erkundigte sich Ratamo und konnte es nicht lassen, kurz zu Riitta Kuurma hinzuschauen, die ihn zufällig gerade ansah. Beide drehten blitzschnell den Kopf zur Seite.
»Eine Hintertür ist ein im Computerprogramm versteckter Code, mit dem man die Sicherheitssysteme des Programms umgehen kann«, erklärte Anna-Kaisa Holm und putzte dabei mit dem Ärmel des schwarzen Kleides ihre Brille. Aus irgendeinem Grund trug sie stets schwarze Kleider.
Ketonen hörte seinen Mitarbeitern zu, die mit Feuereifer bei der Sache waren, und kam der Überzeugung wieder ein Stück näher, dass es an der Zeit war, bald in Rente zu gehen. Früher hatte sich die Sicherheitspolizei darauf konzentriert, Menschen auszuspionieren. Heutzutage suchte man Hintertüren und Codes in einer virtuellen Welt. Die Technik galoppierte wie ein Mastodon, und er kam sich vor wie eine Ameise.
»Was für Maßnahmen schlägst du vor?«, fragte er Anna-Kaisa Holm.
Die Frau straffte ihre Haltung so energisch, dass ihre blonden Haare hin und her schwangen. Das war ihre Chance!
Anfangs stockte sie noch, aber schon bald hielt sie hingebungsvoll einen Vortrag, wie die drei Inferno-Verantwortlichen durchleuchtet werden sollten. Sie wollte ein von ihr entwickeltes Programm einsetzen, das die wichtigsten Register und Datenbänke durchsuchen könnte: die Dateien der Polizei, der Finanzbehörden sowie von Europol und Interpol, die Dateien der Universitäten, der Streitkräfte und der Bibliotheken, die Passagierdaten aus den Flugbuchungssystemen, die Daten von Kundenkarten,
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